PM 072 | 10.11.2018
Flüchtlingsboot in Wittenberg angezündet

Junkermann: „Bestürzt über diese Gewalttat“

Die Landesbischöfin der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland (EKM), Ilse Junkermann, hat bestürzt auf die Brandstiftung in Wittenberg reagiert. Dort haben Unbekannte in der Nacht ein Kunstobjekt angezündet, das ein Flüchtlingsboot symbolisiert:

„Ich bin bestürzt über diese gezielt eingesetzte Gewalt gegen ein Mahnmal für Mitmenschlichkeit, gegen ein Erinnerungsmal für Mitmenschlichkeit und Nächstenliebe - genau an dem Tag, der mahnend erinnert an vor 80 Jahren gezielt gesetzte und organisierte Gewalt gegen Mitmenschen, gegen ihr Hab und Gut und ihre Gotteshäuser. Ich rufe alle Bürgerinnen und Bürger auf, sich klar von solchen Gewaltakten zu distanzieren und sie nicht zu verharmlosen.“

Der Polizei zufolge wurde das Boot durch die Flammen völlig zerstört. Das Schiffswrack war im vergangenen Jahr als Teil der Weltausstellung zum Reformationsjubiläum in Wittenberg aufgestellt worden. Es erinnerte an die Flucht von 244 Menschen aus Nordafrika, die über das Mittelmeer nach Europa gekommen waren.

 

Politisch motivierter Angriff nicht ausgeschlossen

Wittenberg (epd). Der Wittenberger Oberbürgermeister Torsten Zugehör (parteilos) verurteilte die Attacke. Er sprach von einem "Tiefpunkt für Wittenberg".

Das Flüchtlingsboot war im Rahmen der Weltausstellung zum Reformationsjubiläum 2017 in der Lutherstadt ausgestellt worden. Es hatte im Jahr 2013 insgesamt 244 Frauen, Männer und Kinder unversehrt von Libyen nach Sizilien gebracht. In Wittenberg sollte es eine gesellschaftliche Auseinandersetzung mit dem Thema Flucht anregen. Das 23 Tonnen schwere Boot trug den Namen al-bahja (Fröhlichkeit, Freude).

Weil ein politisch motivierter Hintergrund nicht auszuschließen sei, habe der polizeiliche Staatsschutz die Ermittlungen übernommen, bestätigte ein Polizeisprecher am Sonntag dem Evangelischen Pressedienst (epd). Spürhunde hätten am Tatort Brandmittelbeschleuniger aufgespürt. Derzeit würden weiter Zeugen für die Tat gesucht.

Unterdessen berichtet die "Mitteldeutsche Zeitung" (Online), dass an einer Seite des verbrannten Bootes eine Runeninschrift entdeckt wurde, die das Logo der "Reconquista Germanica" zeige. Dabei handele es sich um ein Netzwerk von Rechtsextremen, das gezielte Attacken auf politische Gegner, Medien und Institutionen koordiniere, berichtet die Zeitung. Das Netzwerk unterstütze zudem die AfD. "Deren Stadtratsabgeordneter Dirk Hoffmann hatte in der Vergangenheit mehrfach aufgefordert, das Boot entsorgen zu lassen", schreibt die Zeitung. Einem Leserhinweis zufolge soll das Zeichen bereits seit Ende Juni an dem Boot zu sehen gewesen sein, heißt es weiter.

In einer kurzfristig einberufenen Pressekonferenz am Samstag betonte Wittenbergs Oberbürgermeister Zugehör, das als "Denkmal der Menschlichkeit, Konsequenz und Rechtsstaatlichkeit" bekannte Flüchtlingsboot sollte an weiter ungelöster Fragestellungen erinnern. "Eine Erinnerung, die auch nach der Weltausstellung Reformation nichts an seiner Bedeutung verloren hat", so Zugehör.

Umso schwerer wiege die Tat einer möglichen Brandstiftung, erklärte der Politiker weiter. Dass dieses Schiff in den Morgenstunden des 10. November, also keine 24 Stunden nach dem Gedenken an die Opfer der Reichspogromnacht passierte, schließe nicht aus, dass es sich um eine politisch motivierte Tat handeln könnte. Dies wäre ein "Tiefpunkt für Wittenberg".

Die Grünen in Sachsen-Anhalt verurteilten den Brandanschlag ebenfalls. Landesvorsitzende Susan Sziborra-Seidlitz sah die Verantwortung für die Attacke "nicht nur bei den offensichtlich rechtsextrem motivierten Brandstiftern, sondern auch bei jenen Spaltern, die das gesellschaftliche Klima des Hasses herbeizureden versuchen". Auch sie verwies auf den Antrag eines AfD-Stadtrates, der zuvor eine Entsorgung des Flüchtlingsbootes in Wittenberg "als Schrott" gefordert habe.

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RÜCKFRAGEN

Friedemann Kahl, 0151-59128575


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