PM 116 | 20.12.2019
Weihnachtswort von Landesbischof Friedrich Kramer

Verrohung des Miteinanders und Klimawandel nicht hinnehmen

Der Landesbischof der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland (EKM), Friedrich Kramer, stellt in seinem Weihnachtswort die Rolle von Ochs und Esel an der Krippe in den Mittelpunkt seiner Betrachtung:

„Neben den Kamelen der drei Weisen aus dem Morgenland sind sie die heimlichen Stars jeder Weihnachtskrippe: Ochs und Esel. Kinder greifen nur allzu gern nach ihnen und müssen dann hören: ,Nicht anfassen, nur anschauen!‘

In der Tat haben Ochs und Esel eine besondere Rolle. Wer meint, die beiden wären bloßes Beiwerk inmitten der ländlichen Idylle mit Stall und jungem Elternpaar, der irrt. In den ersten bildlichen Darstellungen der Christgeburt fehlen sogar Maria und Josef, aber Ochs und Esel haben ihren festen Platz. Und das, obwohl in den Geburtsgeschichten der Evangelisten von diesen Tieren gar keine Rede ist.

Warum aber stehen die beiden Tiere an unseren Krippen? Verantwortlich dafür ist der Zorn des Propheten Jesaja über die Gottvergessenheit seiner Zeit und seines Volkes: ,Ein Ochse kennt seinen Herrn und ein Esel die Krippe seines Herrn.‘ Die Krippe verbindet das alte Prophetenwort und die Geburtsgeschichten. Da Jesaja als der Prophet gilt, der auf den Messias verweist, werden die von ihm genannten Tiere zum Sinnbild dafür, dass hier der Messias, dass Christus in der Krippe liegt. Ochs und Esel sind die Geschöpfe, die ihn erkennen. Sie sind entgegen des Rufes verlässliche und kluge Haustiere, die intuitiv wissen, wer ihr Herr ist.

Manchmal ist mir, als müssten Ochs und Esel uns heute wieder an die Seite gestellt werden. Denn es gilt die richtigen Antworten im Jetzt zu finden: Wer ist Herr dieser Welt? Wem folgen wir? Handeln wir klug und richtig?

Vor wenigen Wochen war der schreckliche Anschlag in der Saalestadt Halle. Zwei Menschen wurden ermordet, es fehlte nicht viel und es hätte mehr als fünfzig jüdische Geschwister getroffen. Erschrocken stellen wir fest: Das mörderische Denken und Handeln des rechtsextremistischen Attentäters ist eingebettet in eine Verrohung unseres Miteinanders. Für viele ist nicht die Nächstenliebe Maßstab, sondern es sind Eigeninteressen und nationalistische Ideen. Anders­denkende und Fremde werden pauschal verunglimpft. Die weltweite Herausforderung des Klimawandels und die Bedrohung der Schöpfung werden einfach wegignoriert. Ochs und Esel wissen, was wichtig ist, aber der Mensch nicht?

Vom Schweizer Dichter und Pfarrer Kurt Marti stammt der Gedanke, mit der Geburt Jesu habe eine , Tätigkeit Gottes‘ begonnen, die auch heute noch nicht vollendet sei. Wieso wird Gott Mensch in Jesus von Nazareth? Kurt Marti findet eine ungewöhnliche Antwort. Er behauptet, das sei keine Auszeichnung des Menschen, im Gegenteil, das sei eine ,Not-Aktion‘ Gottes. Denn der Mensch sei die Schwachstelle der Schöpfung und die Menschwerdung Gottes zu Weihnachten also eine Art Reparatur.

In Kurt Martis Blick auf Weihnachten haben Ochs und Esel eine besondere Bedeutung. Sie scheinen zu wissen, dass hier die Erlösung naht. Ochs und Esel sind Symbol für die Zuversicht Gottes, dass sich der Mensch inmitten aller Not auf einen guten Weg bringen lässt – zum Heil der gesamten Schöpfung. ,Nur anschauen‘ reicht deshalb nicht – das Geschehen der Heiligen Nacht will im Herzen bewegt sein. Stellen wir uns also auch in diesem Jahr wieder zu Maria und Josef, den Hirten und den drei Weisen aus dem Osten. Und nehmen uns an Ochs und Esel ein Beispiel. Sie kennen den Herrn der Welt!“


 

RÜCKFRAGEN

Friedemann Kahl, 0151-5912857, oder Susanne Sobko, 0162-2048755


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