12.11.2018
Der elektronische Max | Dank Tele-Präsenz kann ein 14-jähriger Erfurter im Krankenzimmer und bei seinen Schulfreunden sein

Von Dirk Löhr (epd) Rasmus, Hannes und Henrik haben ihren Freund Max schon seit Wochen nicht sehen können. Der Erfurter Gymnasiast liegt im Jenaer Universitätsklinikum auf einer Isolierstation. Streng abgeschirmt von allen möglichen Keimen hofft der 14-Jährige darauf, dass seine Stammzellen-Transplantation anschlägt.

Die Kraft des jungen reicht nicht immer für Besucher oder den Unterricht am Krankenbett. Jetzt haben seine Eltern und die Lehrer eine Möglichkeit gefunden, die Max ein Stück weit wieder an der Schulgemeinschaft im Evangelischen Ratsgymnasium der Landeshauptstadt teilhaben lässt. Ein Roboter - auch der heißt Max - kann vom Krankenzimmer aus von ihm per Laptop durch die Schule gesteuert werden. Statt Füßen hat das gut 3.000 Euro teure Gerät zwei Räder. Auf einem ausfahrbaren Stativ sitzt ein iPad. So sieht Max, der Junge, was im Klassenzimmer passiert. Auf dem flachen Tablet, so der Plan, können seine Schulfreunde ihm ihrerseits in die Augen schauen. Tele-Präsenz nennt sich das Ganze.

Damit der Roboter durch die Schule fahren kann, mussten alle - Lehrer wie Schüler - dem strengen Datenschutz genügen und dem Projekt zustimmen. "Das haben auch alle getan", sagt Schulleiter Michael Friese. Er ist dankbar, dass Max so die Chance bekommt, wieder dabei zu sein, er auf Tuchfühlung mit seinen Kumpels gehen kann. "Wir sind keine Technikfreaks, wir sind hier, um Max zu halfen", meint der Direktor und blickt zum Roboter.

Dafür muss indes noch einiges getan werden. Noch hat das W-LAN-Netz des Gymnasiums Lücken. Am Freitag soll ein Techniker kommen und für einen flächendeckenden Empfang sorgen. Dann ist es an dem Trio aus der Klasse von Max, für den Roboter zu sorgen: Er muss am Abend an eine Steckdose angeschlossen und früh wieder betriebsbereit gemacht werden. Das ist nicht schwer. "Ihr drückt diesen Knopf etwa fünf Sekunden, dann geht der Roboter an", erklärt André vom Berliner Verein "Kolibri - Hilfe für krebskranke Kinder" das Prozedere.

Er und sein Freund Jonathan haben zusammen mit Vereinschef Frank Hauser den Max auf Rädern nach Erfurt gebracht. Es ist das erste Mal, dass sie einen Telepräsenz-Roboter zum Einsatz bringen. Aber, wen er sich am Ratsgymnasium bewährt, ist das bestimmt nicht das letzte Mal, meint Vereinschef Hauser. Seit 2015 versucht er mit wenigen Mitstreitern und allein durch Spenden finanziert, krebskranken Kindern mit einer speziellen Ausrüstung zu helfen oder sie mit einem Geschenk auf hellere Gedanken zu bringen. Das kann ein Fahrrad sein, erklärt er, oder ein Laptop, ein frisch gepflasterter Weg oder eben ein elektronischer Max.

Dem Vater des kranken Jungen ist indes die Freude über die Leihgabe anzusehen. Die Familie hat schwere Wochen hinter sich. Es gab nach der Transplantation Komplikationen. Nun hoffen alle, dass der 14-jährige Schüler wieder gesund wird - und vielleicht Ende des Monats aus dem Krankenhaus entlassen werden kann. Ob sein Sohn vom anderen Max weiß? Na klar, meint er. Und was sagt der Sohnemann dazu? "Cool", antwortet Vater Johannes. Alle müssen breit grinsen.

Dabei ist der Erfolg der ganzen Unternehmung nicht völlig sicher. Auch die Lehrer, die demnächst vor ihren Schülern und einem Roboter stehen, müssen sich an die neue Situation erst gewöhnen. Doch wie Klassenlehrerin Anja Menke sind alle optimistisch - und auch ein klein wenig aufgeregt. André und Jonathan, die beiden Techniker von "Kolibri", versuchen, ihnen die Sorgen zu nehmen. "So lange die grüne Lampe brennt ist alles in Ordnung", versichern sie.

Bis das für den Schüler Max endlich wieder gilt, ist es noch ein Stück anstrengenden Weges. In Gedanken wird er dabei von vielen Menschen unterstützt. Nachdem seine besonders schwere Form von Leukämie bekannt wurde, ließen sich an einem Samstag im Frühling etwa 2.000 Erfurter als potenzielle Stammzellen-Spender typisieren. Zugleich wurde weltweit nach einem passenden Spender gesucht und zum Glück auch ein passender gefunden.

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