07.11.2022
Evangelische Kirche will Friedensethik überarbeiten

Magdeburg (epd). Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) will infolge des russischen Angriffs auf die Ukraine ihre friedensethischen Positionen überdenken.

Wie der EKD-Friedensbeauftragte Friedrich Kramer am Montag bei der EKD-Synode in Magdeburg sagte, soll eine sogenannte Friedenswerkstatt ins Leben gerufen werden. Sie soll die Denkschrift aus dem Jahr 2007, die bislang Grundlage für die friedensethische Haltung der evangelischen Kirche ist, überprüfen und gegebenenfalls ergänzen oder gänzlich neu fassen.

Die Weiterentwicklung oder auch neue Grundlegung der evangelischen Friedensethik habe besondere Dringlichkeit erlangt, sagte Kramer vor den 128 Delegierten des evangelischen Kirchenparlaments, das noch bis Mittwoch in Magdeburg tagt. Es sei ein breiter Prozess der Verständigung nötig.

In der evangelischen Kirche gibt es seit Beginn des Ukraine-Kriegs am 24. Februar eine heftige Debatte über ethische Fragen, etwa über deutsche Waffenlieferungen an die Ukraine. Der EKD-Friedensbeauftragte Kramer hat von Beginn an Waffenlieferungen abgelehnt, andere wie etwa die Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Annette Kurschus, oder auch der frühere EKD-Ratsvorsitzende und Berliner Altbischof Wolfgang Huber befürworten Waffenlieferungen. Die Kontroverse ist ein Schwerpunkt der derzeitigen Synodentagung in Magdeburg.

Kramers pazifistische Haltung stößt in der evangelischen Kirche angesichts des Kriegs in der Ukraine auf Kritik. Bei der Synode erntete der mitteldeutsche Bischof für seinen Bericht verhaltenen Applaus, in Redebeiträgen sowohl Dank für die Arbeit als auch Kritik von den Mitgliedern des Kirchenparlaments.

Bundeswehr-Generalmajor Ruprecht von Butler sagte, die evangelische Kirche dürfe sich, wenn sie in der Mitte der Gesellschaft stehen wolle, auch vor der Frage der Abschreckung nicht drücken. Butler stellte dabei die Frage in den Raum, ob die Ukraine heute in der Situation wäre, wenn sie ein Abschreckungspotenzial wie andere Staaten gehabt hätte.

Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt (Grüne) entgegnete Kramer, der von einem „aggressiven Okkupationskrieg“ gegen die Ukraine sprach, es gehe nicht nur um Okkupation. Es gehe um den Wunsch nach Vernichtung eines Volkes, von Kultur, Sprache und Identität, sagte sie.

Die neue Friedenswerkstatt soll Kramer zufolge in drei Stufen die Friedensdenkschrift von 2007 überprüfen. In der ersten Stufe sollen rund 30 Expertinnen und Experten gehört werden. Ein redaktionelles Team soll dann einen neuen Grundlagentext erstellen und entscheiden, ob die Friedensdenkschrift ergänzt oder neu verfasst werden soll. Dieser Prozess sei auf zwei Jahre angelegt, heißt es im schriftlichen Bericht des Friedensbeauftragten. Geplant sei, dass der neue Grundlagentext möglichst bis Ende 2024 vorliegt.

In der zweiten Stufe sollen Kirchenmitglieder aus verschiedenen EKD-Gliedkirchen im Format sogenannter Bürgerräte einzelne Positionen diskutieren. Im dritten Schritt schließlich wird geprüft, ob der Grundlagentext auch auf die praktische Friedensarbeit gut angewendet werden kann.


Der gesamte Bericht des Friedensbeauftragten, Landesbischof Friedrich Kramer, ist als pdf-Datei beigefügt.

Ein Streitgespräch in der Kirchenzeitung Glaube+Heimat zwischen dem EKD-Friedensbeauftragten Friedrich Kramer und dem EKD-Flüchtlingsbeauftragten Christian Stäblein finden Sie hier: https://www.meine-kirchenzeitung.de/magdeburg/c-aktuell/sag-wie-haeltst-dus-mit-waffenlieferungen_a36911
 
Die Tagung der EKD-Synode kann im Livestream mitverfolgt werden unter www.ekd.de/stream.

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