28.01.2020
Holocaust-Gedenken in Thüringen mit Zeitzeugen | Landesbischof Kramer: "Wir öffnen unsere Arme, wir sind bei Euch!"

Erfurt (epd). In Thüringen ist am Montag der Opfer des Nationalsozialismus gedacht worden. 75 Jahre nach der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz durch die Rote Armee legten Vertreter aus Politik, Kultur und Gesellschaft zusammen mit Überlebenden in der Gedenkstätte Buchenwald bei Weimar Kränze und Blumen nieder.

Zuvor hatte der Landtag an das Grauen der Nazizeit erinnert. Der 27. Januar ist seit 1996 gesetzlicher Gedenktag in Deutschland.

Nach einer Schweigeminute und Ansprachen von Landtagspräsidentin Birgit Keller und Ministerpräsident Bodo Ramelow (beide Linke) kamen drei Zeitzeugen zu Wort. In dem vom Leiter der Gedenkstätte Buchenwald, Volkhard Knigge, moderierten Gespräch riefen die KZ-Überlebenden Eva Pusztai, Günter Pappenheim und Heinrich Rotmensch dazu auf, sich für eine offene Gesellschaft und Mitmenschlichkeit einzusetzen.

Im Gespräch mit den drei 94-Jährigen Überlebenden deutscher Vernichtungs- und Konzentrationslager ging der Historiker Knigge auf ihre Jugend in Budapest, Schlesien und dem Thüringer Wald ein. Es habe immer Antisemitismus in Ungarn gegeben, sagte Pusztai. Dennoch sei sie 1944 in keinster Weise auf das Grauen von Auschwitz vorbereitet gewesen. Was hatte ich getan, was hatte ich verbrochen, wiederholte sie eine Frage, die sie sich als 18-Jährige immer wieder stellte.

Sie warnte davor, die Zeichen aufkommenden Unheils zu übersehen. Manches Mal habe sie dieser Tage ein Déjà-vu, bekannte sie. Um so wichtiger sei es, junge Leute dazu zu ermuntern, im Gegenüber auch immer den Menschen zu sehen, erklärte sie. Auch in der bösesten Zeit habe es Menschen gegeben, die menschlich blieben, stimmte Rotmensch ihr zu. So seien ihm bei der Zwangsarbeit immer wieder ein Stück Brot oder ein paar Kartoffeln zugesteckt worden.

Auch Günter Pappenheim erinnerte an den Tag, als sein Vater, ein Landtagsabgeordneter der SPD, im südthüringischen Schmalkalden verhaftet wurde: "Ich kam in die Schule und hatte keine Freunde mehr." Ein Jahr später wurde der Vater ermordet. Als er für französische Fremdarbeiter an deren Nationalfeiertag die Marseillaise auf der Ziehharmonika spielte, landete er selbst im KZ Buchenwald.

Als Mahnung an ihre Leiden riefen die Zeitzeugen zu Solidarität mit vermeintlichen Minderheiten auf. Jeder Mensch müsse das Leben leben dürfen, das er für sich wünsche, sagte Pappenheim am Ende einer bewegenden Runde im Landtag.

Worte, die Knigge in Buchenwald aufnahm. Ohne die AfD zu nennen, begründete er, warum die "Partei mit dem trügerischen Blau" im ehemaligen KZ nicht erwünscht sei. "Unaufrichtiges, scheinheiliges Gedenken werden wir nicht zulassen, heute nicht und morgen nicht", erklärte er.

Für den Abend hatte die Jüdische Landesgemeinde in ihr Kulturzentrum in Erfurt eingeladen. Laut seines Redemanuskripts ging Landesbischof Friedrich Kramer dabei auch auf die Schüsse von Halle ein. An Jom Kippur hätten die Juden in Deutschland erfahren müssen, dass der Hass wieder einmal stärker als die Versöhnung sei. Der Angriff habe einen einzigen Grund gehabt: "Weil ihr Juden seid!" Als Kirche und als Christen stehe man an der Seite der Jüdischen Gemeinde. "Wir stoßen Euch nicht weg, nie wieder, wir öffnen unsere Arme, wir sind bei Euch! Das sollt Ihr wissen!", versprach Kramer.

Die ganze Rede von Landesbischof Friedrich Kramer finden Sie hier: https://www.ekmd.de/glaube/vortraege/

Sachsen-Anhalt erinnert an Opfer des Nationalsozialismus

Magdeburg (epd). An die Opfer des Nationalsozialismus ist am Montag auch in Sachsen-Anhalt erinnert worden. Im Plenarsaal des Magdeburger Landtages fand die zentrale Gedenkveranstaltung von Landtag und Landesregierung statt. Der israelische Historiker Moshe Zimmermann hielt die zentrale Gedenkrede. Geladen waren 200 Vertreter des Landtags, der Landesregierung, des Landesverfassungsgerichts, von Kirchen, Verbänden und Vereinen sowie Schüler, wie die Landtagsverwaltung in Magdeburg mitteilte.

Im Foyer des Landtages wurde eine Gedenktafel enthüllt, die an 87 gewählte Abgeordnete aus der Region des heutigen Sachsen-Anhalts erinnert, die in der Zeit des Nationalsozialismus verfolgt wurden. Zuvor fand am Mahnmal "Magda" im Magdeburger Stadtteil Rothensee eine Kranzniederlegung statt. Daran nahmen unter anderem der Magdeburger Oberbürgermeister Lutz Trümper (SPD), Landtagspräsidentin Gabriele Brakebusch und Ministerpräsident Reiner Haseloff (beide CDU) teil. Haseloff sagte: "Nur wenn wir uns diese Vergangenheit vergegenwärtigen, haben wir die Chance, eine bessere Zukunft zu gestalten."

Das Mahnmal erinnert an das KZ-Außenlager "Magda", das sich 1944/45 in der Nähe befand. Ab Juni 1944 waren 2.170 zumeist ungarische Juden des Konzentrationslagers Buchenwald in das KZ-Außenlager "Magda" in Magdeburg-Rothensee überführt und zur Schwerstarbeit für die Braunkohle-Benzin AG (BRABAG) gezwungen worden. Bis zu seiner Auflösung im Februar 1945 kamen in dem Außenlager 550 Häftlinge ums Leben.

Auch in anderen Städten in Sachsen-Anhalt fanden weitere Gedenkveranstaltungen statt.

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