01.04.2019
Tausende demonstrieren gegen Asylverschärfungen und für Seenotrettung | Protest gegen geplantes "Geordnete-Rückkehr-Gesetz"

Berlin (epd). Mehrere tausend Menschen haben am Samstag in Berlin gegen die geplanten Asylrechtsverschärfungen und für die Wiederaufnahme der Seenotrettung von Flüchtlingen im Mittelmeer demonstriert. Unter dem Motto "#SeehoferWegbassen" forderten die Teilnehmer sichere Häfen für Flüchtlinge und die Entkriminalisierung von Flüchtlingshelfern und zivilen Seenotrettern.

Das von Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) geplante "Geordnete-Rückkehr-Gesetz" schränke Rechtsstaatlichkeit, faire Verfahren und zivilgesellschaftliches Engagement ein.

Das Gesetz sehe unter anderem vor, dass von Abschiebung bedrohte Menschen in reguläre Gefängnisse gesteckt werden können und die Veröffentlichung von Abschiebeterminen zur Straftat wird, kritisierten die Demonstranten. Die Pläne Seehofers seien "ein Angriff auf Schutzsuchende und auf unsere selbstbewusst vielfältige Gesellschaft", hieß es: "Die Gesellschaft der Vielen soll zum Schweigen gebracht werden."

Neben Berlin gab es am Samstag in weiteren deutschen Städten Demonstrationen der europaweiten Initiative "Seebrücke", darunter in Nürnberg und Köln. In Berlin sprachen die Veranstalter auf dem Kurznachrichtendienst Twitter von 6.000 Teilnehmern, die Polizei von mehreren tausend.

Die EU hatte in dieser Woche beschlossen, den Einsatz von Schiffen auf dem Mittelmeer für die Operation "Sophia" zur Rettung von Flüchtlingen zu beenden. Nach Angaben des Auswärtigen Amts und des Verteidigungsministeriums in Berlin wurde die Operation zwar technisch verlängert, allerdings ohne den Einsatz von Schiffen. Die Beobachtung des Seeraums soll künftig aus der Luft erfolgen.

Bundesinnenminister Seehofer will das "Geordnete-Rückkehr-Gesetz" im April im Kabinett vorlegen. Es soll Behörden erleichtern, Ausländer ohne Bleiberecht oder Duldung und vor allem auch straffällig gewordene Ausländer auszuweisen.

EU-Kommission: Seit 2015 im Mittelmeer 730.000 Flüchtlinge gerettet

Berlin (epd). Die Europäische Union hat nach Angaben von Flüchtlingskommissar Dimitris Avramopoulos seit 2015 zur Rettung von fast 730.000 Flüchtlingen im Mittelmeer beigetragen. "Die Rettung von Menschenleben bleibt für die EU und ihre Mitgliedstaaten ein Muss", erklärte Avramopoulos in einem Schreiben an das EU-Parlament, aus dem die Zeitungen der Funke Mediengruppe (Sonntag) zitieren.

Auch Nichtregierungsorganisationen hätten eine "entscheidende Rolle bei der Rettung von Leben gespielt", heißt es in dem Schreiben weiter. Auf See werde echte humanitäre Hilfe geleistet, die nicht kriminalisiert werden dürfe. Der EU-Flüchtlingskommissar forderte aber auch, alle Akteure im Mittelmeerraum müssten dafür sorgen, dass die Hilfe auf See unter Beachtung internationaler Regeln erfolge und nicht das Geschäftsmodell von Schleppern aufrecht erhalte.

Die EU hatte vor einigen Tagen beschlossen, den Einsatz von Schiffen auf dem Mittelmeer für die Operation "Sophia" gegen Schleuser und Menschenhändler zu beenden. Die Beobachtung des Seeraums soll künftig aus der Luft erfolgen. Damit kann die EU auch keine Flüchtlinge zwischen Libyen und Europa mehr aus Seenot retten. Kritik an dem Rückzug äußerte unter anderem das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen, das neue Maßnahmen zur Rettung von Migranten forderte.

UNHCR fordert neue Rettungsmission im Mittelmeer

Berlin (epd). Das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen hat den Abzug der beiden letzten im Einsatz befindlichen Schiffe aus der EU-Marinemission "Sophia" heftig kritisiert. "Die Entscheidung der EU-Mitgliedsstaaten, die Operation 'Sophia' faktisch zu beenden, ist ein bedrückender Rückschlag für ein Europa der Humanität, sagte Dominik Bartsch, der Leiter des UNHCR in Deutschland, der "Welt am Sonntag". Zugleich forderte er neue Maßnahmen zur Rettung von Migranten zwischen Libyen und Europa aus Seenot.

Die EU hatte in dieser Woche beschlossen, den Einsatz von Schiffen auf dem Mittelmeer für die Operation "Sophia" zu beenden. Nach Angaben des Auswärtigen Amts und des Verteidigungsministeriums in Berlin wurde die Operation zwar technisch verlängert, allerdings ohne den Einsatz von Schiffen. Die Beobachtung des Seeraums soll künftig aus der Luft erfolgen.

Ohne Schiffe könne "Sophia" weder ihr Mandat - den Kampf gegen Schlepper und Menschenhändler - erfüllen, noch Menschen aus Seenot retten, kritisierte der deutsche UNHCR-Vertreter. Er verlangte den Aufbau neuer Rettungsmissionen, um die Kapazitäten für die Seenotrettung zu erhöhen. "Das heißt, es braucht mehr Schiffe, egal, wer sie stellt - in den Gewässern zwischen Libyen und Europa, dort wo Menschen ertrinken", sagte Bartsch.

Zudem müssten Beschränkungen für private Retter aufgehoben werden. "Die Rettung von Menschen aus Seenot ist ein humanitärer und rechtlicher Imperativ, der in internationalen Übereinkommen festgeschrieben ist", betonte Bartsch. Seit 2015 seien durch die Operation "Sophia" rund 45.000 Menschen gerettet worden.

Bartsch unterstrich außerdem, dass Libyen kein "sicherer Hafen" sei, in den man Menschen zurückbringen könne. "Nach wie vor sitzen Tausende Menschen vor den Toren Europas in libyschen Internierungslagern unter menschenunwürdigen Bedingungen fest, werden vergewaltigt, verkauft oder versklavt", erklärte der UNHCR-Vertreter.

Deutschland hatte im Januar angekündigt, seine Fregatte "Augsburg" Anfang Februar aus der EU-Mission "Sophia" abzuziehen. Die Marine hatte sich seit 2015 mit Schiffen an der EU-Mission beteiligt. Ziel von "Sophia" ist die Bekämpfung von Schleusern im Mittelmeer, dabei hat Deutschland mit seinen Schiffen nach Ministeriumsangaben aber auch rund 22.500 Menschen aus Seenot gerettet.

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