17.12.2020
Thüringer Verfassungsgericht lässt Härtefallkommission weitermachen | Erleichterung bei Landeskirche und Rot-Rot-Grün über gescheiterte Klage der AfD-Landtagsfraktion

Weimar/Erfurt (epd). Die AfD ist mit einer Klage gegen die Thüringer Härtefallkommission vor dem Landesverfassungsgericht gescheitert. 

Das Gremium kann in seiner aktuellen Zusammensetzung weiterarbeiten, entschieden die Weimarer Richter am Mittwoch. Die Klage der Landtagsfraktion der AfD hatte sich in einem Normenkontrollverfahren (VerfGH 14/18) gegen die Verordnung zur Einrichtung sowie den Aufgaben des Gremiums gerichtet.

Die Verfassungsrichter sahen in ihrer Urteilsbegründung die "erforderliche parlamentsgesetzliche Regelung für die angegriffene Verordnung" gegeben. Diese sei auch mit dem Demokratieprinzip vereinbar, weil sie nicht als Ausübung von Staatsgewalt zu qualifizieren sei und das Letztentscheidungsrecht bei der obersten Landesbehörde liege.

Vertreter von Rot-Rot-Grün und der Kirche begrüßten die Entscheidung. Zahlreiche Menschen, bei denen dringende humanitäre oder persönliche Gründe für einen weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet sprechen würden, konnten durch die Arbeit der Kommission in der Vergangenheit eine Aufenthaltserlaubnis erhalten, sagte Grünen-Fraktionschefin Astrid Rothe-Beinlich.

Thüringen habe in rechtmäßiger Weise von der im Bundesrecht bestehenden Möglichkeit der Einrichtung einer Härtefallkommission Gebrauch gemacht, reagierte Justizminister Dirk Adams (Grüne) auf den Richterspruch. Das Bundesrecht lasse eine Entscheidung über Härtefälle zu, wenn dringende humanitäre oder persönliche Gründe die weitere Anwesenheit eines Ausländers in Deutschland rechtfertigten. "Dieses auf Bundesrecht beruhende Verfahren hat sich bewährt", betonte er.

Mit Erleichterung reagierte auch die Evangelische Kirche in Mitteldeutschland (EKM). Der Leiter des Evangelischen Büros, Christhard Wagner, sagte, es werde oft behauptet, Gnade und Barmherzigkeit hätten in der Politik keinen Platz. Das Verfassungsgericht habe mit seinem Urteil das Gegenteil bewiesen. Anders als von der AfD behauptet, stelle die Kommission keine "Freifahrtscheine" in unbegrenzter Zahl aus. Die Linke wertete das Urteil als ein Signal an die Fraktionen, in denen menschenverachtende Einstellung zu Geflüchteten vorherrschten.

Für die AfD-Landtagsabgeordnete Corinna Herold führt das Weimarer Urteil den "Rechtsweg ad absurdum". Es trage weder zur Stärkung des Rechtsstaats noch zur Akzeptanz der Flüchtlingspolitik bei. Sie erneuerte den Vorwurf an die Mitglieder der Kommission, "überwiegend Interessenvertreter einer ungebremsten Zuwanderung aus aller Welt" zu sein.

Die Verordnung war im Januar 2005 von der damals allein regierenden CDU erlassen worden. Als maßgebliche Kriterien für die Entscheidung, ob ein "Härtefall" vorliegt, gelten der Grad der erreichten Integration und die Härte, die eine erneute Entwurzelung für die Betroffenen bedeuten würde.

Der Kommission gehören acht stimmberechtigte Mitglieder an, darunter auch Vertreter der beiden großen Kirchen. Sie unterbreiten Vorschläge. Die Entscheidung obliegt letztlich dem Justizminister. Seit 2005 wurden laut Ministerium fast 2.100 Anträge positiv beschieden.

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