04.10.2020
Predigt von Regionalbischöfin Dr. Friederike Spengler zu 30 Jahre Diakonie in Blankenhain, 4. Oktober 2020

Dr. Friederike F. Spengler, Regionalbischöfin der Propstei Gera-Weimar

 

Die Kirche der Zukunft wird eine diakonische sein. Sonst wird sie nicht sein.

Das Evangelium für heute lesen wir bei Markus im 8. Kapitel.

Evangelist: Zu der Zeit, als wieder eine große Menge da war und sie nichts zu essen hatten, rief Jesus die Jünger zu sich und sprach zu ihnen:

Jesus: „Mich jammert das Volk, denn sie harren nun schon drei Tage bei mir aus und haben nichts zu essen. Und wenn ich sie hungrig heimgehen ließe, würden sie auf dem Wege verschmachten; denn einige sind von ferne gekommen.“

Evangelist: Seine Jünger antworteten ihm:

Jünger 1: „Woher?“

Jünger 2: „Woher?“

 Jünger 1: „nehmen wir Brot hier in der Einöde…“

Jünger 2: „…dass wir sie sättigen?“

Evangelist: Und Jesus fragte sie:

Jesus: “Wie viele Brote habt ihr?“

Jünger (1 und 2 gleichzeitig) „Sieben.“

Evangelist: „Und er gebot dem Volk, sich auf die Erde zu lagern. Und er nahm die sieben Brote, dankte, brach sie und gab sie seinen Jüngern, dass sie sie austeilten, und sie teilten sie unter das Volk aus. Sie hatten auch einige Fische; und er sprach den Segen darüber und ließ auch diese austeilen. Und sie aßen und wurden satt. Und sie sammelten die übrigen Brocken auf, sieben Körbe voll.

Es waren aber etwa viertausend Mann; und er ließ sie gehen.“

 

Predigt

Da stehen sie nun, die Jünger. Sie schauen der Menge nach, die langsam den Heimweg antritt und sich in kleine Gruppen aufteilt. Aus allen Himmelsrichtungen waren sie gekommen, in alle Himmelsrichtungen gehen sie wieder auseinander.

Die Gedanken der Jünger wirbeln durcheinander wie die kleinen, schaumbekrönten Wellen auf dem See.

Sich sammeln – setzenlassen, was in ihnen pulsiert. Das wünschen sie sich. Die letzten Tage werden sie nie vergessen. Diese letzten Tage werden sie Jesus nie vergessen. Die Jünger atmen tief durch und spüren den warmen Abendwind im Gesicht. Jeder hängt eigenen Gedanken nach. Dabei war es gar nicht so neu, was sie erlebt haben: Dass Jesus jede Gelegenheit für Begegnungen nutzt, die Zeit auskauft, sich selbst investiert. So bekommen Situationen oft noch eine überraschende Wendung. Wie auch heute: Der Weg war lang. In allen Dörfern, durch die sie gezogen waren, hatten Menschen zu Jesus gewollt. Ständig war er umringt. Immer hat er Zeit, immer und für jeden. Das nervt den stärksten Jünger! Haben sie, die Zwölf, nicht alles aufgegeben, ihre Heimat verlassen, um IHM zu folgen? Und nun kann einfach jeder stets und ständig den HERRn in Beschlag nehmen. Und wie viele Kinder wieder dabei waren! Gören von der Straße, frech, dreckig und vorlaut. Drängeln sich einfach durch die Menge, ganz nah an IHN heran! Die wissen wohl nicht, mit wem sie es hier zu tun haben? Dazu die Kranken! Die Bettler. Und Huren. Und schlitzohrige Betrüger, ach.... Muss er sich denn immer die Hände schmutzig machen?

Liebe Festgemeinde – Schwestern und Brüder,

Jesus war Diakoniker! Keine Frage! Er weiß um den Zusammenhang von Leib und Seele. Weiß, dass alle guten Worte leer klingen, wenn nicht der Mensch als Ganzes im Blick ist. Und das weiß er nicht nur, er lebt es! Jesus hat Menschen im Blick. Und er sieht viel mehr als ihre Fassade. Seine Augen sehen die Unsicherheit hinter dem Protz, die Sehnsucht unter dem Schmutz, die Enttäuschung unter dem heruntergekommenen Äußeren. Seine Worte tun den Leuten gut. Sie hängen förmlich an seinen Lippen. Seit Tagen. Leben von dem, was er ihnen gibt.  Wie Verliebte, von Luft und Liebe.

„Mich jammert das Volk! Denn sie harren schon drei Tage bei mir aus und haben nichts zu essen.“ Jesus sieht mehr! Das macht ihn zum Diakoniker: Er verbindet die Botschaft mit der Tat. Hunger nach guten Worten haben sie. Hunger nach Gesehen-werden, Hunger nach Frieden mit Gott und der Welt.

Aber auch Hunger nach Brot. „Der Mensch lebt nicht vom Brot allein“, ja, Amen, aber auch nicht ohne Brot.

„Und sie haben doch noch einen Weg vor sich“, sagt Jesus. „Wenn wir sie jetzt ohne eine Mahlzeit gehen lassen, dann kommen sie nicht weit. Sie können ihren Weg nicht gehen. Sie werden am Leben scheitern.“

Die Jünger fühlen sich angesprochen. „Woher sollen wir denn auch nur das Nötigste für so viele Menschen herbekommen? Hier, mitten in der Pampa, im Irgendwo. Hier ist doch nichts. Ländlicher Raum. Weit ab vom Speckgürtel. Keine Chance.“

Und Jesus spricht: „Was habt ihr da, was ist vorhanden?“ Die Jünger bleiben skeptisch. „Das reicht nicht, nie und nimmer!“ Doch Jesus nimmt alles in die Hände, was sie bringen. Und Dankbarkeit steigt in ihm auf! Und er spricht ein Gebet – eines, voller Lob an Gott. Eines, als hätten sie es üppig und überreich. Und nachdem sich alle erwartungsvoll gesetzt haben, lässt er alles verteilen: Leben für Alte und Junge; Fürsorge für Menschen, die Pflege brauchen; Menschen, die nach Hause kommen und Angehörige entlasten, mitunter auch ersetzen; Ohren, die zuhören und Hände, die gut anpacken können. Heimat für Einsame; Begegnungsmöglichkeiten und Orte des Austauschs. Kindheitsgestalter für die Jüngsten mit Herz und Verstand; Kleidung nach Bedarf und eine warme Mahlzeit; Lebensmittel ohne dickes Portemonnaie und einen, der Rat weiß, wenn der letzte Cent bereits ausgegeben ist. Und noch vieles mehr. Keiner geht leer aus. Nicht zu fassen – es reicht für alle!

 

Die Kirche der Zukunft wird eine diakonische sein. Sonst wird sie nicht sein.

Wenn der Herr der Kirche, das Haupt der Gemeinde selbst diakonisch handelte, wie sollten es die Seinen ihm nicht nachtun? Hier in Blankenhain wird das schon getan. Hier lebt man sie schon – die Kirche von morgen.

Liebe Gemeinde, was für ein Erntedank! Dank für Brot und Wein und alles, wodurch Gott uns das Leben leben lässt.

Was für ein Erntedank mit Ihnen als gute Gaben Gottes! Als Mitarbeitende in der Diakonie sind Sie es, die ihre Gaben austeilen unter den Leuten. Und ganz gleich, ob sie dies in bewusster christlicher Überzeugung tun oder nicht, es ist ihnen ein Anliegen, dass ihre Be-Gabung verteilt wird. Geteilt wird. Satt macht. Leib und Seele stärkt.  Ihre Unterstützung kommt an. Be-teiligt im Teilen auch andere. Am Leben. Am Glauben.

Hier bei Ihnen hat vor 30 Jahren Jesus genommen, was da war, sein Dankgebet gesprochen und alles Vorhandene aus der Hand gegeben an die, die darauf warteten. Ein Speisungswunder. Damals in Galiläa wurden 4000 bedacht. Heute in Blankenhain und ringsum im Weimarer Land noch viel mehr.

Ausreichen mit vollen Händen, was Gott uns anvertraut hat. 1990, machte es die neue Zeit, die neuen Verhältnisse möglich, dass der Glaube, in dem Wort und Tat zusammengehören, Gestalt annahm. Die Arbeit der Sozialstation begann. Und Christen erkannten den Auftrag, genauso Gemeinde zu sein.

Heute ernten wir. Pflücken Früchte Ihrer Arbeit und Ihres Engagements. Danken Gott für solches Wachstum und bringen es vor ihn, damit er es segne.

Jesus war Diakoniker! Und wer in seinem Namen diakonisch handelt, wird Wunder erleben.

Und der Friede Gottes…

Amen

 


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