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20.09.2022
Betteln und Beten

Vor der Kirche knien sonntags oft zwei Frauen auf einem Karton mit Pappbecher in den Händen; sie schauen alle einem erwartungsvollen Blick genau an, der in die Kirche eintreten will, und ohne ein Wort zu sagen, weiß jeder was sie wollen: Münzen. Ich grüße sie auf Romanes und Rumänisch frage, wo sie zuhause sind: Beide kommen aus einem Roma-Viertel südlich von Bukarest. Da sie keine Schule besucht haben, können sie weder lesen noch schreiben; sie haben früher nachts als Straßenkehrerinnen in der Hauptstadt gearbeitet. Jetzt aber erledigen Kehrmaschinen diese Arbeit. So wurden sie arbeitslos und haben drückende Schulden bei Verwandten. Um Schulden zu tilgen, fahren sie von Zeit zu Zeit zum Betteln in reichere Städte. Wie viel die Bettelei vor der Kirche einbringt, bleibt ihr Geheimnis; meist liegen nur ein paar Cent in den Pappbechern. Ein engagierter Herr, der in der Kirche die Kollekte einsammelte, fragte mich einmal verdutzt, was ich mit den Frauen geredet hätte. Für ihn waren die beiden unbequem, da ältere Menschen vor der Wahl stünden ihre Münzen entweder in die Spendenbüchse oder den Frauen zu geben. Seine Sorge war, dass die Frauen anfangen könnten, auch in der Kirche still zu betteln. Daher fragte er mich, ob ich ein Hinweisschild machen kann auf dem stehen sollte: “Betteln in der Kirche nicht erlaubt“ Abgesehen davon, dass diese Frauen nicht lesen können, sagte ich ihm, dass Betteln und Beten in vielen Sprachen fast dasselbe ist. Beten ist wie Betteln; beides braucht regelmäßige Übung.Nur: Gott ist nicht genervt, wenn wir um Hilfe für unser Leben bitten. Deswegen: Beten und Betteln sind in der Kirche erlaubt, findet Johann Schneider, evangelischer Regionalbischof aus Halle


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