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07.07.2017
Der Schwebende

Psst. Seid leise, sonst weckt ihr ihn auf. Die Schlosskirche in Wittenberg ist in diesem Jahr alles andere als ein Ort der Stille. Besuchergruppen aus Deutschland und der ganzen Welt schieben sich hindurch. Sie fotografieren, sie bekommen eine Führung, sie unterhalten sich auf englisch und schwäbisch und chinesisch. Nein, ein Ort der Stille ist diese Kirche wirklich nicht.
Aber seit einigen Wochen haben wir einen Engel zu Besuch. Über dem Mittelgang der Schlosskirche hängt er. „Der Schwebende“ von Ernst Barlach. Ein großer Engel aus Bronze, ohne sichtbare Flügel, die Hände über der Brust gekreuzt, die Augen geschlossen. Er strahlt viel Ruhe aus. Selbst die lautesten Touristen werden leiser, wenn sie unter ihm durchgehen. Ganz dicht über ihren Köpfen schwebt er.
Ernst Barlach hat den Engel 1927 als Mahnmal gegen den Krieg geschaffen. Nur zehn Jahre hing er im Güstrower Dom, dann wurde er von den Nazis abgenommen und eingeschmolzen. Heute hängt dort ein Nachguß des Engels. Und jetzt ist er gerade bei uns in Wittenberg.
Seid leise. Weckt den Engel nicht auf. Ich wünschte mir, so ein Friedensengel hinge auch in den Regierungsgebäuden und Hauptquartieren dieser Welt, über den Köpfen derer, die über Krieg und Frieden entscheiden. Damit sie leiser werden. Ich wünschte mir, ich könnte den Engel von Ernst Barlach dorthin schicken. Damit es endlich eine Welt gibt ohne den Lärm des Krieges.

Einen Sonntag voller Ruhe wünscht Ihnen
Pfarrerin Kathrin Oxen aus der Lutherstadt Wittenberg


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