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24.03.2017
Gesprungene Glocken

Ich mochte Schulausflüge. Für ein Dorfkind wie mich war es immer ein Erlebnis, mal in eine richtige Stadt zu kommen. Meine Stadt für Schulausflüge war Lübeck. Das Holstentor, die Salzspeicher, die Bedeutung dieser Stadt als „Königin der Hanse“ – das hatten wir alles gehabt im Heimat- und Sachkundeunterricht. Aber warum in der großen Kirche in einer Ecke zwei zersprungene Glocken lagen, das wusste ich nicht. Sie hatten mit ihrem Gewicht sogar noch den Steinboden darunter zertrümmert. Ich stand davor und fragte mich, was wohl passieren muss, damit so große Glocken so tief herunterstürzen. Geschichte hatten wir damals noch nicht. Denn dann hätte ich gelernt, dass beim Angriff englischer Bomber in der Nacht auf den 29. März 1942 die Lübecker Altstadt zerstört und die Marienkirche getroffen wurde. Die Glocken fielen aus dem Turm herunter und zersprangen auf dem Boden der Kirche. Eigentlich hätten sie an diesem Sonntag besonders fröhlich läuten müssen. Denn es war der Sonntag, an dem die Lübecker Jungen und Mädchen ihre Konfirmation feiern sollten. Nun lag die Stadt in Schutt und Asche. Das hübsche Kleid, der erste Anzug, alles verbrannt. Und keiner hat gefeiert. Der Krieg macht alles kaputt, überall. Städte und Menschenleben. Der Krieg schlägt Wunden, die auch nach 75 Jahren noch nicht geheilt sind. Das habe ich damals verstanden. Und daran denke ich heute. Nachdenklich grüßt Sie Pfarrerin Kathrin Oxen aus der Lutherstadt Wittenberg

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