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01.08.2022
Kriegsmörser

Von meiner Oma Mathilde Elisabeth haben wir einen Mörser aus Steingut. Er stand sichtbar in der Kredenz in der Küche und wurde häufig zum Zerkleinern von Gewürzen genutzt, falls es welche zu kaufen gab. Mich hat der würzige Geruch von Zimt und Pfeffer, aber auch die Aufschrift fasziniert: Kriegsmörser - hadi mozsár. Kriegsmörser? War es doch nur ein grauweißes Küchenutensil aus Steingut? Meine Großtante Kathi erzählte uns, dass im Krieg alle Küchenmörser aus Bronze konfisziert wurden, um Kugeln zu machen; als Ersatz bekam jede Familie einen solchen Kriegsmörser. Ob die Männer wieder lebendig heimkehren würden? Jedes Mal, wenn der Gemeindediener ins Horn blies, sei meine Oma vor Schreck erstarrt – denn sie hatte Angst, den Namen meines Opas oder ihrer Brüder zu hören. Nicht einmal ein Totengeläut sei mehr möglich gewesen, weil auch die Glocken vom Turm geholt worden seien. Gott sei Dank kehrte mein Opa Stephan nach Hause zurück – und die Freude beim Wiedersehen war übergroß – trotz des traurigen Blicks, der nicht mehr von ihm gewichen ist. An diesen Mörser denke ich heute am 1. August, als 1914 unser Land dem russischen Zaren den Krieg erklärte. Und an die geflüchteten ukrainischen Frauen und Kinder und die Soldatenmütter in Russland, die hoffen und beten, dass die Männer lebend heimkehren. Und falte die Hände und bete: Gib Frieden Herr, gib Frieden.

Johann Schneider evangelischer Regionalbischof aus Halle


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