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07.02.2023
Raumforderung

Von „Raumforderung“ sprechen die Ärzte. Raumforderung? Sagt doch einfach, wie‘s ist: Krebs. Das sagen sie nicht. Aber sie sagen, dass sie die vierzig nicht mehr schaffen wird. So viel steht fest. Und fest steht auch, dass dann zwei Kinder ihre Mama verlieren. – Dieses Leben … Ich könnte heulen.

Sie heult nicht. Und ich schäme mich ein bisschen, wenn ich höre, wie sie auch dieses Stück Lebensweg geht. So stark! Mein Gott, wie stark sind die Sterbenden.

In diesen Tagen telefoniert sie die ganze Familie ab: „Guck mal, ob Du noch Bilder hast. Die sollen ins Mama-Buch.“ Das Mama-Buch bastelt sie für ihre Kinder, die schon bald ihre Mama werden loslassen müssen. Das Buch soll ihnen später helfen, sich daran zu erinnern, wie Mama war. Der Schalk in ihren Augen wird ihnen auffallen; an ihre ulkigen Grübchen werden sie denken. Und an die Tage am Meer, als Mama den von Sonne und Salzwasser ganz unruhigen Kinderkopf mit einer Engelsgeduld streichelte, wie sie nur Mamas aufbringen.

Das Mama-Buch wächst. Und neben Bildern schicken Tanten und Cousins und die Oma auch Anekdötchen aus längst vergangenen Tagen. Und der Patenonkel hat die Schuleinführung auf einen Stick überspielt. „So lange ist das schon her?“ Was ist schon lang. Tausend Jahre sind ein Tag, wenn es an der Zeit ist zu gehen.

Noch geht sie nicht. Sie dreht den Spieß um. Gibt der Raumforderung nicht nach, sondern fordert selber Raum. Fürs Leben. Das ist so ansteckend, dass die ganze Familie auf den Beinen ist und es mit jedem Foto und jeder ausgekramten Erinnerung spürt: das volle Leben.

Leben in Fülle für Sie an diesem Tag. Conrad Krannich aus Halle

 


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