Kürzlich vor einer alten romanischen Dorfkirche bei schönstem Wetter: Drei Mädchen und ein Junge in ihren schicken Klamotten kichern und kommentieren ihr Outfit. Die Konfirmandinnen warten ungeduldig auf ihren Einzug mit der Pfarrerin und dem Kirchenrat. Da geht eine ältere Dame schnurstracks auf eins der Mädchen zu und versucht an ihrer Bluse zu zupfen. Das Mädchen wehrt sich – und dann der kurze Satz: „Oma – lass es – ich mag das nicht!“ Gott sei Dank geht´s dann bald los und alle ziehen in die kühle Kirche ein.

Jugendliche wollen sich mit ihren neuen Klamotten ihren Pears zeigen und manchmal auch Grenzen testen – und das kann Eltern auch mal nerven. Und dann fällt schnell der Satz: Mensch lass es – sei bitte toleranter. Tolerant sein – ein lebenslanger Lernprozess!  

Wörtlich übersetzt heißt tolerant sein, einander erdulden und ertragen – eine andere Meinung, eine andere Religion, eine andere politische Überzeugung, aber auch andere Gerüche und auch Kleidungstile.

Wenn ich ehrlich bin, bin ich in meinen Gedanken manchmal gar nicht tolerant – sondern ich ärgere mich über Mitmenschen, die lautstark ihre Überzeugung kundtun – als ob das die allein richtige sei. Toleranz ist kein Freibrief, anderen die alleinseligmachende Meinung zu geigen, sondern beruht auf Gegenseitigkeit. Toleranz und Respekt gehören zusammen. Mir hilft, was meine Mutter mir manchmal sagte, wenn ich mich über Mitschüler beklagte: Was Du nicht willst das man dir tu, das füge auch keinem anderen zu. Einen schönen Sonntag!

Johann Schneider, evangelischer Regionalbischof aus Halle.