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24.10.2018
Herz und Galle

Das war ihr in 32 Dienstjahren noch nicht passiert, dass sie morgens mit einem schlechten Gefühl zur Redaktion radelt, dass ihr Herz drückt, wenn sie ins Großraumbüro kommt.
Sie hat ihren Job immer gern gemacht, zwei Preise gewonnen, immer den Anspruch hochgehalten. Zeitung muss informieren, bilden, unterhalten. Sie hat sich weitergebildet, sich kontinuierlich über die Schulter schauen lassen, immer wieder den Rücken gestrafft und geackert. Und dann das:
„Ihr seid das Gift dieser Nation“, das „Kartell der Lügen“. „Schreibt euch Angela Merkel jeden Tag, was ihr sagen sollt?“
Ganz lange hat sie tapfer geantwortet. Ein ums andere Mal. Und manchmal erstaunte Rückantwort erhalten. Im Sinne von „Ja, ich wollte nicht sie persönlich treffen, aber es ist doch so...“. Und dann seitenweise Fakten und Lügen, echte Argumente und krude Verschwörungsphantasien.
Ist es möglich das Herz offen zu halten, wenn andere Galle spucken?
Sie weiß es gerade nicht. Und es geht nicht spurlos an ihr vorbei.
Sie ist stiller geworden, braucht mehr Ruhe zwischendrin.
„Es kann einem passieren, dass dich Leute hassen,“ so sagt es die mütterliche Freundin. „Du bleibe bei dem, was dir wichtig ist: der ruhige Ton, die gerade Haltung, der wache Blick. Wenn es heftig wird, halte dein inneres Gesicht in Gottes Sonne. Sie ist warm. Wo immer du bist.
Du bist frei.“
So will sie es halten. Sich nicht infizieren lassen. Das Herz offen halten. Auch, damit es wachsen kann.


Ulrike Greim, Weimar.


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