Perspektivwechsel
Es war eine verrückte Begegnung.
Neulich bin ich zufällig einem Bekannten begegnet.
Nach vielen Jahren.
Er arbeitet inzwischen seit vielen Jahren in Afrika, in Malawi.
Als Arzt behandelt er dort die Ärmsten der Armen.
Dafür hat er seinen Posten als Chefarzt an einer Klinik an den Nagel gehängt.
Er verzichtet auf Bezahlung und widmet sich der Hilfe in Malawi.
Er war damals aufgebrochen, um anderen etwas zu geben.
Jetzt kehrte er aus meiner Perspektive reich beschenkt zurück.
Es sei doch bemerkenswert, sagte er, wie gut es uns in Deutschland gehe.
Der Unterschied sei eklatant.
In verschiedener Hinsicht.
Zum einen haben wir in Deutschland einen so unglaublich hohen Lebensstandard, nicht vergleichbar mit der Situation in anderen Ländern.
Zum anderen, sagte er, gäbe es kein anderes Land wie Deutschland, in dem so unglaublich viel gejammert wird.
Alles sei entweder schlecht, zu wenig oder zu viel.
Es würde so unglaublich viel geklagt und gejammert.
Da wäre ihm bei seiner Rückkehr deutlich aufgefallen.
Die Menschen in Afrika leben zwar mit viel weniger, aber dafür oft glücklicher.
Während wir beinahe alles zur Verfügung hätten,
würde es dort oft am nötigsten mangeln.
Das Leben sei dort oft hart.
Aber hart ist es für ihn auch in Deutschland.
Je größer der Reichtum, umso größer die Unzufriedenheit.
„Spannend“, denke ich und lasse mir seine Beobachtung durch den Kopf gehen.
Ist da was dran?
Wie kommt es, dass Menschen mit wenig manchmal glücklicher sind?
Gibt es vielleicht auch ein zu viel?
Fragt Ramón Seliger, Diakonie, Weimar.