Augenblick mal, MDR, Radio, Radio-Andacht, Radio-Andachten, Radioandacht, Radioandachten,

30.05.2021
Pfingstrosen

Meine Pfingstrosen haben ihr Versprechen nicht gehalten. An Pfingsten jedenfalls haben sie nicht geblüht. Jetzt erst öffnen sie sich, zaghaft, als trauten sie sich noch nicht, als schämten sie sich. Aber das wird schon.

Die Pfingstrose, sagt man, sei die Rose ohne Dornen. Dazu gibt es eine Legende: Erzählt wird von einer Frau, die von Jesus sehr angetan ist. Sie hört, dass er hingerichtet wurde, weint und zieht sich in ihren Rosengarten zurück. Später erfährt sie, er sei vom Tode auferstanden. Das tröstet sie. Wieder geht sie in ihren Rosengarten: Alle Rosen sind aufgeblüht und – sie haben keine Dornen mehr. Ein Wunder.

Das klingt so rund wie die vollen Blüten der Pfingstrose. Ist es aber gar nicht. Das Wunder, dass sich in Leid verwandelt, können wir nur erleben, wenn wir das Leid vorher überhaupt wahrgenommen haben. Bei dem, was mich, was dich, was diese Welt bedrückt, zu sagen „ach, das wird schon irgendwie“, bewirkt keine Wunder. Wegschauen bewirkt keine Wunder. Wir müssen uns an den Dornen, an dem, was uns ärgert, uns ungerecht vorkommt, reiben, uns die Arme, und an dem Leid, das uns begegnet, die Seele aufkratzen.

So höre ich die Nachrichten, höre von Belarus und aus dem Jemen, von Krisen und Krieg, von Menschen im Elend hier und anderswo. Dann sehe ich die dunkelroten Pfingstrosen, die mir die liebsten sind, eine Farbe, kräftig wie Rotwein. Da möchte ich mich besoffen sehen, besoffen an Hoffnung. Und glauben: Alles wird gut.

Einen schönen Sonntag wünscht Ralf-Uwe Beck, evangelisch und aus Eisenach.


Bleiben Sie mit unseren Newslettern auf dem Laufenden.

Hier Abonnieren

Die besten News per E-Mail - 1x pro Monat - Jederzeit kündbar