Reformation
Das Jubiläumsjahr 2017 bezieht sich auf Martin Luthers Thesenanschlag vor 500 Jahren. Doch er war nicht der einzige. Vor, neben und nach Luther gab es weitere Reformatoren.
Luther wandte sich gegen den Opfercharakter des Abendmahls in der katholischen Kirche: das Opfer Jesu Christi sei ein für allemal auf Golgatha erbracht und bedürfe keiner Wiederholung. Auch wandte sich Luther gegen die Vorstellung einer Wandlung der Elemente: zwar seien Brot und Wein ihrem Wesen nach Leib und Blut Christi, jedoch blieben sie beide in ihrem ursprünglichen Zustand erhalten. Leib und Blut Christi werden gewissermaßen in, mit und unter den Elementen Brot und Wein mitgeliefert. Diese von der katholischen Lehre stark abweichende Auffassung war einer der Faktoren für die Trennung von reformatorischer und katholischer Kirche. Auch innerhalb der reformatorischen Konfessionen kam es über die Lehre vom Abendmahl zu großen Streitigkeiten, die erst 1973 mit der Leuenberger Konkordie letztlich aus dem Weg geräumt werden konnten.
Unter Ablass verstand man ein von der Kirche ausgesprochenen Nachlass zeitlicher Sündenstrafen. Der Ablass verkürzte die Höhe der Strafe, die im Fegefeuer abgebüßt werden musste. Der Ablass hatte im Spätmittelalter eine wichtige wirtschaftliche Bedeutung für den Papst und die Finanzierung der Gesamtkirche. Es war also mutig von Luther, sich 1517 gegen den aus seiner Sicht falsch verstandenen Ablasshandel zu stellen und somit die Reformation in Gang zu setzen.
Ächtung war der Ausschluss aus der Gemeinschaft. Wen das betraf, der war rechtlos, ehrlos, vogelfrei und konnte von jedermann straffrei getötet werden – und das auf dem gesamten Gebiet des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation. Luther wurde 1521 wegen Ketzerei und Kirchenspaltung mit Acht und Bann belegt.
Die Angst vor dem Tod war damals allgegenwärtig. Die Lebenserwartung der Menschen betrug kaum 30 Jahre. Es gab kaum Ärzte. Viele einfache Krankheiten und Verletzungen endeten deshalb tödlich. Von zehn Kindern erlebten nur zwei das Erwachsenenalter. Viele Menschen verhungerten bei Missernten. Es gab ansteckende Krankheiten wie den „Aussatz“ (Lepra) oder die Pest, die ganze Familien ausrottete. Die Menschen hatten außerdem Angst vor dem baldigen Weltuntergang. Kriege, Krankheiten, Hungersnöte und andere Katastrophen galten als dessen Vorboten. Das Leben der Menschen lief also auf einen sich ständig steigernden Schrecken hinaus: Tod, Fegefeuer und Endgericht erwarteten sie. Um diesen Schrecken abzuwenden, konnte man eine Fülle frommer Leistungen erbringen: Pilgerreisen, Stiftungen, Geschenke, mit deren Hilfe man schrittweise ein von Gott akzeptierter Mensch werden konnte – wenn man nicht wieder zurückfiel und damit in Ungnade gelangte.
In England wurde in der Reformationszeit eine eigene Kirche gegründet. Sie ist Staatskirche, und das Oberhaupt ist die Königin von England. Das ist auch heute noch so. Der Gottesdienst erinnert stark an den der katholischen Kirche. In den USA heißen die Anglikaner „Episcopal Church“.
Der Augsburger Reichs- und Religionsfrieden wurde am 25. September 1555 zwischen dem Kaiser und den Reichsständen geschlossen. Vorangegangen waren diesem Friedensschluss langjährige, auch kriegerische Auseinandersetzungen zwischen protestantischen Reichsständen und dem katholischen Kaiser und seinen Anhängern. Auf dem Reichstag in Augsburg einigte man sich, dass derjenige, der ein Land beherrscht, auch dessen Glauben bestimmen solle („cuius regio, eius religio“ – „wessen Gebiet, dessen Religion“). Die Fürsten hatten also die Freiheit, ihre Religion zu wählen und sie zugleich für ihre Untertanen zu bestimmen. Diejenigen, die nicht konvertieren wollten, wurde das Recht eingeräumt, in ein Land ihres Glaubens auszuwandern.
Der Orden, dem Luther im Sommer 1505 beitrat, wurde 1256 begründet und war der jüngste der vier großen mittelalterlichen Bettelorden (neben den Dominikaner, Franziskanern und Karmelitern). Inhaltliche Schwerpunkte waren Wissenschaft, Ausbildung und Mission, insbesondere Seelsorge und Bildungsarbeit.
Seit dem 13. Jahrhundert gingen Reichsacht und Kirchenbann Hand in Hand, deswegen prägte man die Formel „In Acht und Bann“. Der Betroffene wird vollständig und ohne zeitliche Begrenzung aus der Gemeinde ausgeschlossen, er wird also exkommuniziert. Luther verbrannte die Bannandrohungsbulle Leos X. am 10. Dezember 1520 öffentlich vor den Stadtmauern Wittenbergs und zog sich so unweigerlich den Bannfluch des Papstes zu.
Die Bauern waren unzufrieden darüber, dass sich ihre rechtliche und wirtschaftliche Lage immer weiter verschlechterte. Sie setzten ihre Hoffnung im Frühjahr 1525 vor allem auf Luther und seine Aussagen über die „Freiheit eines Christenmenschen“. Aber Luther stellte sich letztlich nicht auf ihre Seite, sondern auf die der Fürsten. Zwar mahnte Luther die Obrigkeit später noch zur Mäßigung, aber der Bauernaufstand wurde blutig niedergeschlagen.
Die Bekenntnisschriften der evangelisch-lutherischen Kirche sind eine Sammlung von Bekenntnistexten aus der Reformationszeit, die gemeinsam mit den drei Bekenntnissen aus der Alten Kirche 1580 zum Konkordienbuch zusammengefasst worden sind. Auf die Bekenntnisschriften werden bis auf den heutigen Tag Pfarrerinnen und Pfarrer ordiniert. Zu ihnen gehören das Augsburger Bekenntnis (Confessio Augustana) und dessen Kurzfassung, die Apologie (Verteidigung), die Schmalkaldischen Artikel, der Traktat von der Gewalt und Obrigkeit des Papstes (Tractatus de potestate et primatu papae), der Kleine und der Große Katechismus sowie die Konkordienformel.
Während seiner Zeit als „Junker Jörg“ auf der Wartburg (Mai 1521 – März 1522) begann Luther das große Projekt einer Bibelübersetzung ins Deutsche. Im September 1522 war eine erste Auflage des Neuen Testamentes fertig („Septembertestament“), im Jahr 1534 dann endlich die gesamte Bibel. Luther übersetzte aus den biblischen Ursprachen (Hebräisch, Griechisch) und zog die damalige lateinische Standardübersetzung (Vulgata) nur ergänzend zu Rate. Dabei entfaltete er eine bis heute nachwirkende sprachschöpferische Kraft. So gehen Redewendungen wie „die Spreu vom Weizen trennen“ oder „wider den Stachel löcken“ auf Luther zurück.
Seine Erfindung ist verbunden mit dem Namen Johannes Gutenberg, dem um 1450 der Druck mit beweglichen Metalltypen gelungen war. Ohne die „Schwarze Kunst“ wäre die schnelle Verbreitung der reformatorischen Ideen nicht möglich gewesen (siehe auch Flugblätter und Flugschriften).
Buße ist die Umkehr des Menschen zu Gott, von dem er sich durch die Sünde entfernt hat. Im Mittelalter konnte die Bußgesinnung durch den Kauf von Ablassbriefen (Ablass) ersetzt werden. Dagegen wendet sich Luther mit seinen 95 Thesen: „Lehren soll man die Christen: Wer einen Bedürftigen sieht, an ihm aber vorbeischaut und stattdessen Ablass kauft, der erwirbt nicht den Strafnachlass des Papstes, sondern den Zorn Gottes“ (These 45).
Bezeichnung für die reformatorische Bewegung durch Johannes Calvin (1509-1564) in der Schweiz im Jahr 1541. Calvin ist der Auffassung, dass Gott „aus freien Stücken“ die einen Menschen zu ewigen Heil vorherbestimmt (prädestiniert), die anderen nicht. Gottes Erwählung zeigt sich hier auf Erden in einer ehrbaren, arbeitsamen und erfolgreichen Lebensführung. Die Genfer Reformation breitet sich vor allem in den Niederlanden aus, von dort auch weiter in die ganze Welt.
Die CA ist ein grundlegendes Bekenntnis der lutherischen Reichsstände zu ihrem neuen Glauben, das Kaiser Karl V. auf dem Reichstag zu Augsburg 1530 vorgelegt worden ist. Luther saß zu dieser Zeit im äußersten Zipfel Kursachsens, auf der Veste Coburg, weil er immer noch in Acht und Bann war. Wesentlich ausgearbeitet wurde das Augsburger Bekenntnis im Auftrag von Kurfürst Johann von Sachsen von Philipp Melanchthon in lateinischer und deutscher Sprache. Im Vordergrund standen dabei zunächst die theologischen Übereinstimmungen zwischen Katholiken und Lutheranern – es ist in seinem Ursprung also ein ökumenisches Bekenntnis, das in der Folge aber eine Kirchenspaltung nicht vermeiden konnte.
Siehe Augsburger Religionsfriede und Ius reformandi
bezeichnet eine religiöse Erneuerungsbewegung des 14. und 15. Jahrhunderts. Sie wurde hauptsächlich von der Gemeinschaft der Brüder vom gemeinsamen Leben getragen und fand Eingang in nahezu alle Länder Europas. Als einflussreicher Vertreter gilt Thomas a Kempis (1379/80-1471) mit seinem damals weit verbreiteten Erbauungsbuch „De imitatione Christi“ (Nachfolge Christi). Die Devotio moderna betont das Ideal des gemeinschaftlichen Lebens, der konkreten Frömmigkeit und der persönlichen Nachfolge Christi in Armut und Demut. Wichtig wird die Devotio moderna im Schulhumanismus des 15. Jahrhunderts und damit schließlich auch für die Reformation.
Protestanten verstehen Kirche immer auch als eine nicht fertige Baustelle. Die Kirche bleibt immer reformbedürftig. Für Luther selbst steht „die Kirche“ nicht im Mittelpunkt seiner Überlegungen, auch nicht deren Reformation (das bleibt anderen Theologen vorbehalten, die die Kirchenvisitationen betreiben), sondern die Rechtfertigung.
Martin Luther wandelt sich vom Mönch zum Ehemann und Vater, und mit ihm wandelt sich auch seine Einstellung zu Ehe und Familie. Die von Gott gegebene Ehelosigkeit (die es gibt und die Luther nicht bestreitet) versetzt nunmehr nicht mehr in einen heiligeren Stand, sondern ist die Folge einer Berufung zum ungeteilten Dienst am Wort. Das aber ist die Ausnahme, nicht die Regel. Allen Menschen kommt der Ehestand zu. Er ist „ein göttlich edles Geschäft“. Er heiratet im Juni 1525 die entlaufene Nonne Katharina von Bora und wird in der Folge Vater von sechs Kindern. Auch fast alle anderen Reformatoren heiraten, das protestantische Pfarrhaus entsteht.
Das griechische Wort „Euangelion“ heißt übersetzt „frohe Botschaft“. In dieser frohen Botschaft wird uns Gottes Gnade und die Vergebung von den Sünden angeboten. Wer glaubt, wird fröhlich. Dann tut er freiwillig und ganz umsonst gute Werke, aus Dankbarkeit über das Geschenk, das er bekommen hat, ohne Furcht vor Strafe und ohne Anspruch auf Lohn.
Wer im Leben gesündigt hat – so glaubte man –, muss nach dem Tod eine Strafe im Fegefeuer abbüßen. Dort wird er gequält. Im Unterschied zur Hölle kann diese Strafe durch gute Werke, Fürbitten der Heiligen oder durch Ablass verkürzt werden.
Viele Menschen konnten damals nicht lesen. Da auch sie verstehen sollten, worum es Martin Luther und der Reformation ging, wurden Flugblätter ins Umlauf gebracht.
Flugschriften waren preisgünstige und handliche Druckerzeugnisse, die sich zu einem je aktuellen Thema äußerten, der öffentlichen Verbreitung dienten und oft propagandistische Intentionen verfolgten. Ohne die Erfindung des à Buchdrucks und die Herstellung von Flugschriften hätte sich die Reformation wohl nicht bzw. nur wesentlich langsamer ausbreiten können. Denn die Flugschriften erreichten nicht nur Lesekundige (damals die deutliche Minderheit), sondern durch gemeinschaftliches Vorlesen (z. B. im Gottesdienst) auch Analphabeten, also die Mehrheit des Volkes.
Sie spielten in der Reformationszeit wohl eine weit bedeutendere Rolle, als uns die spärlichen schriftlichen Überlieferungen glauben machen. Frauen ließen sich schon früh von der Reformation anstecken, und zwar nicht nur so prominente Vertreterinnen wie Katharina von Bora oder Argula von Grumbach. Verschiedentlich wird nun die Lutherdekade zum Anlass genommen, den Lebensweg einzelner Frauen genauer nachzuzeichnen. Ein Beispiel hierfür ist die Wanderausstellung „Frauen der Reformation in der Region“.
Siehe katholische Reform
Martin Luther betreibt Theologie in schroffer Dialektik, also quasi als Unterscheidungslehre. Luther versteht Gesetz und Evangelium, oder – wie er auch sagen kann – Gebot und Verheißung, als die beiden Erscheinungsweisen des einen Wortes Gottes und erklärt selbst, wie er das meint: „Wenn ich in die Apotheke gehe: da ist es eine Kunst zu sagen, was die Krankheit ist, und eine andere Kunst zu sagen, was man dazu tun solle, dass man sie loswerde. So ist es hierbei auch: das Gesetz entdeckt die Krankheit, das Evangelium gibt die Arznei.“
Luthers existentielle Frage seiner Zeit als Mönch lautete „Wie bekomme ich einen gnädigen Gott?“ Luther war ein Mensch voller Angst. Die mittelalterliche Theologie verlangte zudem von den Menschen, dass sie mit ihren natürlichen Kräften die Gebote Gottes erfüllten; Luther dagegen erkannte, dass der Mensch in sich selbst verkrümmt und somit von sich aus unfähig zu Gebotsgehorsam und Gottesliebe ist. Rechtfertigung ist so etwas wie eine beginnende Genesung des Menschen, der Glaubende bleibt dabei immer Gerechter und Sünder zugleich (simul iustus et peccator).
Wie verhalten sich von Gott geschenkter Glaube und gute Werke zueinander? Luther hatte in seiner Jugend gelernt, dass gute Werke für die eigene Seligkeit notwendig waren. Deshalb ist es für ihn ganz wichtig zu erkennen, dass dem eben nicht so ist. Dennoch verfielen die Reformatoren nicht in einen unmoralischen Lebenswandel und notorische Faulheit. Warum? Luther hat oft das Bild vom Baum und der Frucht gebraucht: ein guter Baum bringt auch gute Früchte. Es kommt also darauf an, den Baum – durch die Rechtfertigung – zu einem guten Baum zu machen, dann folgen die guten Früchte – die guten Werke – auf dem Fuße.
Martin Luther hat den römisch-katholischen Gottesdienst weitgehend beibehalten und nur hinsichtlich des Abendmahls (eucharistisches Hochgebet) reformiert, was für ihn unausweichlich war. Er schuf ein lateinisches Messformular. Später führte er die deutsche Sprache ein („Deutsche Messe“ 1528). Luther schuf Gemeindechoräle für den gottesdienstlichen Gebrauch, denn: „Auf eine gute Predigt soll man ein starkes Gebet tun und einen guten Lobgesang.“
Luther hat 1520 vier Schriften veröffentlicht, die große Bedeutung erlangten. „An den christlichen Adel deutscher Nation von des christlichen Standes Besserung“ (Juni 1520), in der er seine theologischen Erkenntnisse in praktische Reformvorschläge umsetzt. „Über die Freiheit eines Christenmenschen“ (Oktober 1520), die deutsche Bearbeitung eines lateinischen Traktates an Papst Leo X., in der Luther aus seiner reformatorischen Erkenntnis, dass der Mensch durch seinen Glauben gerechtfertigt ist, die Glaubensfreiheit des Einzelnen entwickelt. „De captivitate Babylonica ecclesiae praeludium“ (Vorspiel zur Babylonischen Gefangenschaft der Kirche, Sommer 1520), ein lateinischer Traktat über die Sakramentenlehre der Kirche. Luther reduziert die Sakramente als Zeichen für die Verheißung Christi auf die von Christus selbst eingesetzten: Taufe, Abendmahl, Buße. „Der Sermon von den guten Werken“ (Juni 1520) schließlich ist eine neue Verhältnisbestimmung von Glauben und Werken anhand einer Auslegung der Zehn Gebote.
Martin Luther wuchs noch ganz in der Tradition der Heiligenverehrung auf, in der die Heiligen eine Mittlerfunktion zwischen den Menschen und Gott übernehmen. Später lehrt er, dass Christus allein diese Mittlerfunktion zukomme und lehnt die Heiligenverehrung ab. Luther sah die Gefahr, dass die Menschen sonst mehr Vertrauen auf die Heiligen setzen als auf Christus selbst.
Heilsgewissheit meint die Gewissheit des Glaubenden, am Jüngsten Tag von Gott gerechtgesprochen zu werden. Diese Gewissheit gründet sich auf das stellvertretende Leiden und Sterben Jesu Christi: „Also hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn gab, auf dass alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben“ (Johannes 3, 16).
ist die seit 1560 gebräuchliche Bezeichnung für die französischen Protestanten, die in ihrem Glauben stark vom Calvinismus beeinflusst sind.
Eine geistesgeschichtliche Bewegung – im Italien des 14./15. Jahrhunderts enstanden –, die zu den Quellen zurückging („ad fontes“) und durch die die Bildung ins Stadtbürgertum gelangte. Zweifellos stand Luther unter dem Einfluss der humanistischen Bewegung in Erfurt und lange Zeit war die reformatorische Bewegung mit der humanistischen verschlungen. Im Streit mit Erasmus von Rotterdam 1525 über den freien Willen sah Luther aber eine unüberwindbare Schranke zum Humanismus. Gleichwohl blieb für die reformatorische Bewegung der Humanismus auch weiterhin prägend, repräsentiert allein schon durch Professor Melanchthon in Wittenberg.
Der Landesherr (Fürst, König ...) konnte seit dem Augsburger Religionsfrieden festlegen, welcher Religion seine Untertanen angehören sollten: der katholischen oder der lutherischen. Später konnte auch die reformierte Konfession gewählt werden (vom Landesherrn!).
„Martin Luther und die Juden“ ist ein kompliziertes und ein schwieriges Thema, über das schon viel nachgedacht, geschimpft und gestritten wurde. Luther ist hier einerseits vielleicht am deutlichsten als Mensch seiner Zeit zu sehen. Andererseits lebte er zunehmend in der Erwartung des nahen Weltendes. Der Papst hatte sich für Luther als Antichrist zu erkennen gegeben, und die Verhältnisse in der Welt verschlimmerten sich spürbar. Für den Papst, die Türken und eben die Juden war Jesus Christus nicht der Retter, sondern allenfalls der strenge Richter. Kompromisse mit diesen „Verführern“ schloss Luther aus. Die Schärfe von Luthers späten „Judenschriften“ wurde im Kreise seiner Freunde und Kollegen übrigens überwiegend kritisiert, wenn nicht abgelehnt. Auch die meisten Obrigkeiten zogen keine praktischen Konsequenzen aus Luthers Gedanken. Nur vereinzelt wurde judenfeindliche Politik anfangs mit Luther legitimiert. Erst in der antisemitischen Propaganda seit den 1870er Jahren wurden offensiv auf Luther zurückgegriffen, kulminierend in der Zeit des Nationalsozialismus, wobei hier offen bleiben muss, ob und welche Zusammenhänge zwischen reformatorischem Antijudaismus und Rassenantisemitismus bestehen. Erst nach der Shoa gelang eine grundlegende Neubestimmung des jüdisch-christlichen Verhältnisses.
Die Landessynode der EKM hat am 19. November 2016 folgenden Beschluss gefasst: https://www.ekmd.de/asset/cs8bk0wDS262QuFc_rStOQ/ds-8-3-b-neu.pdf
Der Kleine und der Große Katechismus Luthers (1529) gehören zu den à Bekenntnisschriften der evangelischen Kirche. Der Kleine Katechismus war die am weitesten verbreitete Schrift Luthers zu seinen Lebzeiten, sie erschien bis zu seinem Tod 1546 in mehr als sechzig Ausgaben. Mit ihm lernte man in der Schule lesen und schreiben, und er ist bis zum heutigen Tag das Grundbuch des evangelischen Glaubens. Der Große Katechismus ist Luthers zentrale theologische Schrift in deutscher Sprache. Hier erklärt er neben den Zehn Geboten und dem Vater unser vor allem das reformatorische Verständnis der Sakramente.
Durch geschickte Politik, aber auch durch Kriege, gewann die katholische Kirche in den deutschen Landen allmählich an Boden. Sie gründete, um die Abgefallenen zurückzugewinnen, den Jesuitenorden. Wo die katholische Kirche wieder Fuß gefasst hatte, wurden prächtige Kirchen gebaut. Der Barock-Stil erlebte seine Blüte, in dem die Kirchen mit Gold, Marmor, bunten Farben und Engelfiguren ausgestattet waren. Der Dreißigjährige Krieg (1618-1648) führte dazu, dass protestantische Gebiete wieder der katholischen Kirche zufielen.
In den Städten und Territorien, in denen die Reformation eingeführt wurde, entstand – durch ihre nunmehrige Ablehnung der päpstlichen Gerichtsbarkeit und des kanonischen Rechts – ein rechtsfreier Raum. Die Landesherren sahen sich deshalb herausgefordert, hier einzugreifen und beauftragten u. a. ihre führenden Theologen mit der Abfassung solcher Ordnungen, die das gesamte Gemeinwesen – so z. B. die Schulbildung, die Armenfürsorge und die Gottesdienstordnungen – neu regelten.
In der Zeit Luthers traten viele junge Menschen ins Kloster ein. Ihre Gründe waren sehr verschieden. Manche Familien brachten ihre Kinder in ein Kloster, damit diese ein Leben lang versorgt waren. Mädchen wurden oft ins Kloster gebracht, weil das Geld für eine Aussteuer (und damit für eine Hochzeit) der Töchter nicht reichte. Andere traten freiwillig ins Kloster ein, weil sie Gott in besonderer Weise dienen und gefallen wollten. Die Auflösung der Klöster in der Reformationszeit führte dann zu ganz neuen Problemen: z. B. waren auf einmal die jungen Mädchen eben nicht mehr ein Leben lang versorgt. Es mussten neue Lösungen gefunden werden. So führten viele Städte den „gemeinen Kasten“ ein, also eine Gemeindekasse, aus der Aufgaben für die Allgemeinheit bestritten werden konnten.
Siehe Konfirmation (Verzeichnis „Kirche von A-Z“)
Die Konkordienformel ist als „Formel der Eintracht“ von 1577 die letzte der Bekenntnisschriften, die aber nicht in allen lutherischen Territorien gültig geworden ist. Sie legt die nach Luthers Tod aufgebrochenen Lehrverschiedenheiten innerhalb der Lutheraner bei. Erkauft ist diese Eintracht mit einer spürbaren Entfernung zur reformierten Kirche. Alle Pfarrer, z. B. in Kursachsen, mussten sich zur Konkordienformel bekennen. Deshalb war aller Orten zu hören: „Schreibt, lieber Herre, schreibt, dass Ihr bei der Pfarre bleibt!“
Luther zählt „Bilder, Glocken, Messgewand, Kirchenschmuck, Altarlicht und dergleichen“ unter die Adiaphora, also die Dinge, die für die Kirche weder ge- noch verboten sind: man kann, aber man muss nicht. Von Bilderstürmerei hielt er bekanntlich nichts. Aber ein im heutigen Sprachgebrauch „kunstsinniger“ Mensch war Luther nicht: wenn er von den Künsten sprach, meinte er die „sieben freien Künste“, die er zu studieren empfahl, und bei einem Gemälde interessierte ihn nicht die Ästhetik, sondern der Inhalt. Er schätzt Bilder als Gedächtnisstützen, ja weiß, dass der Mensch nichts ohne Bild denken und verstehen und daher auf innere Bilder nicht verzichten kann. Die bedeutendste Neuschöpfung der lutherischen Kunst ist übrigens die Darstellung der Rechtfertigungslehre auf Altarbildern, so auf dem Reformationsaltar in der Wittenberger Stadtkirche. Bis in der Neuzeit haben sich Künstler immer wieder von reformatorischen Grundideen inspirieren lassen.
Der Laienkelch ist die Forderung aller Reformbewegungen seit den Hussiten und meint die Darreichung des Kelches beim Abendmahl (Verzeichnis "Kirche A-Z") auch an die Laien und nicht nur an die Geistlichkeit. Die Austeilung „unter beiderlei Gestalt“ ergibt sich für die Reformatoren zwingend aus dem biblischen Gebot „trinket alle daraus“. Übrigens: auch in der römisch-katholischen Kirche ist der Laienkelch heute erlaubt und sogar empfohlen.
Aus der reformatorischen Volksbewegung wird ab etwa 1525 eine landesherrliche Bewegung. Es entstehen eine Vielzahl von Landeskirchen, z. T. unterschiedlicher Konfession. Der Augsburger Religionsfriede von 1555 besiegelt schließlich die konfessionelle Spaltung und bringt den Kirchen Augsburgischen Bekenntnisses die rechtliche Anerkennung. So bleibt es bis ins 19. Jahrhundert. Oberste Geistliche der Landeskirchen sind bis dahin die Fürsten.
Siehe Bibelübersetzung
Die Lutherrose ist das Siegel, das Luther ab 1530 in seinem Briefverkehr verwendete. Luther betrachtete es als Zusammenfassung seines Glaubens. Ein schwarzes Kreuz: es erinnert uns an Jesu Tod. Er ist für uns Menschen gestorben. Ein rotes Herz: rot ist eine lebendige Farbe. Sie erinnert an das Herzblut. Woran ein Mensch sein Herz hängt, so sagt Luther, das ist sein Gott. Eine weiße Rose: die weiße Rose umgibt das rote Herz. Weiß ist die Farbe für Gottes Geist und seine Engel, die die Menschen begleiten. Ein blauer Zwischenraum: blau ist der Himmel, der die Welt umspannt. Wer an Gott glaubt, ist dem Himmel nah. Der äußere Ring ist golden: gold ist die Farbe für Gott. Wie die Liebe Gottes hat der Ring keinen Anfang und kein Ende.
Anhänger Luthers, die sich besonders auf ihn berufen. Für sie ist das Augsburger Bekenntnis 1530 wichtig. Der Gottesdienst der Lutheraner ist reichhaltiger und die Kirchen sind geschmückter als bei den Reformierten. Die Bezeichnung wurde zuerst polemisch von den Katholiken für die Protestanten verwendet, zuerst wohl von Johann Eck 1520 gegen Luther und seine Anhänger. Später verwendeten die Anhänger Luthers selbst diese Bezeichnung, um sich einerseits gegen die Katholiken, vor allem aber gegen die Reformierten abzugrenzen.
Anhänger der Täuferbewegung, ursprünglich im Umfeld der Schweizer Reformation. Die Mennoniten wollen, dass man sich erst für die Taufe entscheidet, wenn man dazu reif ist, und vollziehen aus diesem Grund eine im Kindesalter erhaltene Taufe noch einmal. Umgangssprachlich werden sie deshalb auch "Wiedertäufer" genannt.
Luther hatte ein besonderes, ein inniges Verhältnis zur Musik. Sie ist eine gute Schöpfung Gottes und soll im Dienst dessen stehen, der sie geschaffen und uns gegeben hat. Zu Gebet und Predigt in einem Gottesdienst gehören für Luther Lob und Dank mit Psalmen und geistlichen Liedern zwingend hinzu. Luther selbst hat Liedertexte geschrieben und auch Texte vertont. Damit wollte er das Evangelium unter die Leute bringen. Und in der Tat können wir die frühe Reformationsbewegung als „Singebewegung“ verstehen. Eine spöttischer Jesuitenspruch bestätigt genau das: Luther habe mehr Menschen durch Lieder als durch Schrift und Rede verführt. Johann Walter aus Torgau hat eine insbesondere in Mitteldeutschland seit Jahrhunderten lebendige evangelische Kirchenmusiktradition begründet, in der so berühmte Komponisten wie Heinrich Schütz, Johann Sebastian Bach und Felix Mendelssohn-Bartholdy eine Rolle spielen.
Ordination (Verzeichnis „Kirche von A-Z“)
Papst (Verzeichnis "Kirche A-Z")
(auch „allgemeines Priestertum“) basiert auf dem Gedanken, dass die Beziehung zwischen Gott und Mensch keiner Vermittlung durch Amtspriester bedarf. Der Gedanke diente in der Reformation zur Bestreitung einer Sonderstellung der Geistlichkeit. Luther stellte in seiner Hauptschrift „An den christlichen Adel deutscher Nation“ die Gleichheit aller Gläubigen vor Gott heraus. Taufe und Glaube begründen das wahre Priestertum. Dessen Ausübung jedoch bleibt an die Ordination und die Berufung durch die Gemeinde gebunden. Der Gedanke vom „Priestertum aller Gläubigen“ hatte eine enorme gesellschaftliche Sprengkraft und erschütterte die überkommene kirchliche Hierarchie von Grund auf. Er trug wesentlich zur Durchsetzung der Reformation bei.
ist eine der zentralen Lehren innerhalb der römisch-katholischen Kirche und bezeichnet die Vorrangstellung des Papstes vor allen anderen Geistlichen und seinen Anspruch auf Führung der gesamten Christenheit. Der Papst führt sein Amt dabei in ungebrochener Folge bis auf den Apostel Petrus zurück. Luther und die anderen Reformatoren lehnen den Anspruch des Papstes, sichtbares Haupt der Kirche zu sein, ab. Alle Bischöfe sind gemeinsam aufgefordert, die Kirche zu leiten, wie das bei den Aposteln und den Bischöfen der Alten Kirche gewesen ist.
Auf dem Reichstag in Speyer 1529 protestierten einige Landesherrscher gegen deutlich verschlechtere Bedingungen für die Einführung der Reformation in Ländern und Reichsstädten. Deswegen heißen wir immer noch „Protestanten“. Später gebrauchte man eine Bezeichnung für die, die sich der kaiserlichen Religionsgesetzgebung nicht unterwarfen, und sprach von den „evangelischen“ oder „christlichen protestierenden“ Ständen. Die Ausweitung der Bezeichnung auf die Gesamtheit des reformatorischen Christentums erfolgte durch ein Geschichtswerk eines Straßburger Historikers.
Durch Gottes schenkende Liebe, die sich im Leben und Sterben Jesu Christi äußert, und eben nicht aufgrund unserer eigenen Anstrengungen sind wir gerettet und können ein Gott wohlgefälliges Leben führen: Luther nennt dies die „Rechtfertigung des Sünders“. Rechtfertigung ist dabei keine Sache von Gut und Böse (das wäre zwischenmenschlich gedacht), sondern eine Sache von Gott und Mensch. Luther selbst hat seine Rechtfertigungslehre nicht zusammenhängend dargestellt, wohl weil er sie nicht für einen Spezialartikel seiner Theologie hielt, sondern für einen „Gesamtvorgang“, der jeden Christen jeden Tag beschäftigt.
Die Reformation beginnt mit Luthers Thesenanschlag an die Tür der Wittenberger Schlosskirche am 31.10.1517. „Reformatio“ kommt aus dem Lateinischen und bedeutet „Wiederherstellung, Erneuerung“. Die Reformatoren hatten nicht die Absicht, eine neue Kirche zu begründen (und haben das nach ihrem Verständnis auch nicht getan). Sie wollten stattdessen die bestehende Kirche erneuern, eben reformieren. Die Reformationsbewegung hat sich in der Folgezeit weit aufgefächert und über die gesamte Welt verbreitet. Im „Lutherischen Weltbund“ sind z. Z. 140 Mitgliedskirchen aus 79 Ländern versammelt, der „Reformierte Weltbund“ zählt momentan 215 Mitgliedskirchen in 107 Ländern.
ist ein Gedenktag der evangelischen Christen in Deutschland, der am Tag des Thesenanschlags, am 31. Oktober, begangen wird. Über 100 Jahre nach Luthers Tod, im Jahr 1567, wurde der R. zum ersten Mal in Sachsen begangen, vorher hatten die Menschen vor allem zu Luther Geburtstag (10. November) und Todestag (18. Februar) der Reformation gedacht. Auf dem Gebiet unserer Landeskirche ist der R. ein gesetzlicher Feiertag. Das Lied des R. ist Luthers „Ein feste Burg ist unser Gott“, das bei keinem Gottesdienst an diesem Tage fehlen darf.
Der Vers aus dem Römerbrief (1, 17) „Der Gerechte wird aus Glauben leben“ war für Luther die „Pforte zum Paradies“. Gottes ewige Gerechtigkeit wird als reines Gnadengeschenk verstanden, das dem Menschen nur durch den Glauben an Jesus Christus gegeben wird. Keinerlei Eigenleistung kann dieses Geschenk erzwingen. Auch der Glaube selbst ist Gottesgeschenk. Wir sind gehalten und genötigt, uns ganz auf Gott zu verlassen. Oder anders formuliert: wir müssen die Ohnmacht des Menschen vor Gott anerkennen.
Anhänger Zwinglis und Calvins, die weltweit auch „Calvinisten“ genannt werden. In vielem sind sie radikaler als Lutheraner: sie haben eine strengere Lebens- und Kirchenordnung und sie unterscheiden sich im Verständnis des Abendmahls. Kennzeichen der Reformierten sind die nahezu ungeschmückten Kirchen.
Bezeichnung für „Überreste“ von Heiligen oder Gegenstände, die mit ihnen in Berührung gewesen sind. Von den Heiligen erhoffte man sich Fürsprache bei Gott. Unter jedem Altar einer Kirche musste eine Reliquie des Heiligen vorhanden sein, dem die Kirche geweiht war. Das Sammeln von Reliquien war darüber hinaus in vielen Herrscherfamilien eine Hauptbeschäftigung: so nannte Kurfürst Friedrich der Weise mit über 5000 Einzelstücken die drittgrößte Reliquiensammlung seiner Zeit sein eigen.
Nach Luther ist ein Sakrament eine von Jesus Christus selbst eingesetzte Handlung verbunden mit einem sichtbaren Zeichen – Wasser, Brot und Wein. Er zählt die Taufe und in ihrer Folge die Beichte (verstanden als Rückkehr zur Taufe) sowie das Abendmahl zu den Sakramenten. Die anderen katholischen Sakramenten (Firmung, Ehe, Priesterweihe und Letzte Ölung) haben die Protestanten umbenannt (Konfirmation, Trauung, Ordination und Letztes Abendmahl) und verstehen sie als Segenshandlungen.
Diese Schrift ist neben dem Kleinen und dem Großen Katechismus die einzige Bekenntnisschrift aus der Feder Luthers. Luther war im Februar 1537 mit den anderen Wittenbergern zum Fürstenkongress des Schmalkaldischen Bundes geeilt und legte dort im Auftrag des sächsischen Kurfürsten die Schmalkaldischen Artikel vor, die – wohl auch wegen Luthers deutlicher Sprache – nur verhalten aufgenommen wurden. Luther konnte vor Ort nicht für seine Sache in der üblichen Weise streiten, da ihn Nierensteine plagten. In den Schmalkaldischen Artikeln benennt Luther das Essentielle seiner Theologie, vor allem vor dem Hintergrund des Trennenden zur römisch-katholischen Kirche. Sie sind mit viel Herzblut geschrieben, sind weniger diplomatisch formuliert als die Bekenntnisschriften aus der Feder Melanchthons und gelten deshalb noch heute als Luthers „Privatbekenntnis“.
Die protestantischen Fürsten und reichsfreien Städte schlossen sich unter Führung des sächsischen Kurfürsten Johann und von Kurfürst Philipp von Hessen im Februar 1531 zum Sch. B. zusammen. Ziel war die, auch militärische, Verteidigung der Protestanten gegen Kaiser Karl V. und seine Getreuen. Der Sch. B. erlebte das Schicksal vieler Bündnisse auf Zeit: nach anfänglichem, kontinuierlichen Machtausbau kam es zu internen Unstimmigkeiten, die den Bund lähmten. Schließlich gelang es dem Kaiser, mit dem Schmalkaldischen Krieg 1546/1547 das Bündnis zu zerschlagen. Das führte aber nicht mehr zur Zerschlagung der protestantischen Religion im Reich – dafür war sie bereits zu etabliert.
Unter diesem Etikett (abgeleitet vom Naturschauspiel schwärmender Bienen) wurden von Luther Bilderstürmer, Aufrührer und falsche Propheten zusammengefasst, die aus seiner Sicht alle die christliche Freiheit missdeuteten. Sie verkehren für Luther das Verhältnis von Gesetz und Evangelium, sie errichten somit eine neue Gesetzlichkeit. Der Begriff Sch. war zwar in der Geschichtsschreibung lange Zeit üblich, wurde zunehmend aber als unpräzise erkannt. Auf eine griffigere Bezeichnung indes konnte sich die Forschung bislang nicht einigen – momentan weiß man nur, welchen Begriff man nicht möchte: z. B. „radikale Reformation“ oder „linker Flügel der Reformation“.
Diese scheinbar paradoxe Aussage, der Mensch sei Gerechter und Sünder zugleich, ist für Luther keine Schreibtischidee, sondern eine zutiefst empfundene Gebetserfahrung. Obwohl nämlich der Christ von Gott gerechtfertigt ist, ihm seine Sünden vergeben sind, er also ein Sündloser ist, empfindet er sich im Blick auf sich selbst immer wieder als Sünder (und ist es auch, wenn er beim Blick auf sich selbst stehen bleibt).
Jesu Worte und Taten sind Ausdruck dessen, was Gott uns von seiner Liebe zeigen will und wie wir diese Liebe untereinander leben sollen. Darüber hinaus ist Jesu Tod und seine Auferstehung Gottes sichtbares Zeichen dafür, dass seine Gnade uns auch im Tod nicht verlässt. Deshalb ist der Glaube an Jesus, den Sohn Gottes, der Schlüssel zu Gottes Liebe und Gnade.
Der Mensch ist in Freiheit geschaffen. Es steht ihm frei, zu Gottes Angebot seiner Liebe „Ja“ oder „Nein“ zu sagen. Der Glaube ist die Antwort des Menschen auf Gottes Liebe. Manche Reformatoren gehen davon aus, dass auch die Entscheidung für Gott und die Freiheit des Glaubens eine Gabe Gottes ist und nicht im Menschen selbst begründet liegt (Prädestination).
Die Kernaussage der Bibel ist: Gott ist uns gnädig. Er hilft uns, auch ohne unser Zutun. Diese Gnade kann der Mensch weder erzwingen noch erkaufen. Sie kommt aus Gottes Liebe zu uns Menschen.
Die Bibel ist Gottes Geschenk an uns. Hier werden uns seine Gedanken mitgeteilt. Und dennoch ist sie Menschenwerk – sie muss übersetzt werden, weil sie die Erfahrungen des Menschen mit Gott in einer bestimmten Zeit widerspiegelt. Sie allein gilt als Schlüssel zu einem wahren Verständnis von Gott.
Für Luther ist die Taufe ein sichtbares und fühlbares Zeichen, mit dem Gott dem Menschen die Gabe des Evangeliums nahe bringt und das im Glauben empfangen werden will. Die Zusage Christi, die mit der Taufe verbunden ist („Wer da glaubt und getauft wird, der wird selig werden“ Markus 16,16), gilt ein Leben lang. Die Taufe bestimmt aber auch das ganze Leben des Christen. Zum einen verbindet sie ihn mit Christus, der ihm Vergebung schenkt. Zum anderen aber bestimmt sie seine Lebensführung, jeden Tag (nach Römer 6) „mit Christus zu sterben und aufzustehen“ – also täglich den alten Adam in sich zu töten und als erneuerter Mensch zu leben. Das nennt Luther die „tägliche Taufe“. So finden wir auch hier die beiden Aspekte der Lehre von der Rechtfertigung: Mit ihrem Vollzug macht die Taufe den Getauften ganz gerecht. In der Folge hält sie ihn an, sich täglich zu bessern, bis, am Jüngsten Tag, der alte Adam ganz untergegangen sein wird (simul iustus et peccator).
Just in jüngster Zeit ist Bewegung in diese Frage gekommen. Es fand sich eine Notiz eines Luther-Assistenten aus dem Jahr 1541 (also noch zu Luthers Lebzeiten), aus der man – wenn man möchte – schlussfolgern kann, dass der Thesenanschlag stattgefunden hat: „Im Jahr 1517 am Vorabend von Allerheiligen sind in Wittenberg an den Türen der Kirchen die Thesen über den Ablass von Doktor Martin Luther vorgestellt worden.“ Genauso gut kann es aber auch sein, dass Luthers Assistent (der kein Augenzeuge des Geschehens gewesen ist) hier bereits an der späteren populären Legende vom Thesenanschlag „gestrickt“ hat.
Dieses Konzil von 1545 bis 1563 gilt als die katholische Antwort auf die Reformation. Kaiser Karl V. wollte Kirchenreformen beraten und durchsetzen, Papst Paul III. war an einer Verurteilung der reformatorischen Lehre gelegen. Beide Fragen wurden letztlich parallel behandelt und die katholische Lehre an mehreren Punkten präzisiert. So wurde das Ablasswesen – durchaus im Sinne Luthers – reformiert und ein geschlossener Beichtstuhl eingeführt. Dem Konzil von Trient ist es gelungen (und darin liegt seine eigentliche Bedeutung für die katholische Kirche), die katholische Glaubenslehre gegenüber den Neuerungen Luthers, Calvins und Zwinglis abzugrenzen und so aus sich heraus Reformen einzuleiten.
Eine schwierige Frage der Lutherbiographie! Aber auch einer der Eckpfeiler des Reformationsgedenkens über viele Jahrhunderte! War es wirklich so, dass Luther seine Entdeckung zum Römerbrief, die die gesamte Kirchengeschichte verändern sollte, plötzlich in seinem Arbeitszimmer im Südturm des Wittenberger Augustinerklosters hatte? Wir wissen es nicht. Schon das Jahr ist umstritten: war es 1514 oder doch erst 1518? Sicher ist aber, dass Luther schon im Vorfeld dieses sog. „Turmerlebnisses“ viele einzelne Entdeckungen gemacht hat, die wir heute als „reformatorische Einsichten“ bezeichnen. Es gab also keinen Bruch im Leben Luthers nach dem Motto „Heute Mönch und heute Reformator“.
Die Visitation ist bis heute in den reformatorischen Kirchen gängige Praxis. Damit ist der Besuch (visitare – besuchen) der Kirchgemeinde durch den Bischof oder andere Abgesandte gemeint. Zur Reformationszeit war die V. das wichtigste Instrument zur Durchsetzung der neuen Lehre. So konnte nach und nach jeder Pfarrer auf seine Tauglichkeit als evangelischer Geistlicher überprüft werden. Philipp Melanchthon verfasste 1527/28 seinen Vorschlag einer Visitationsordnung.
Lange vor Martin Luther schon haben sich immer wieder Menschen für Reformen in der Kirche eingesetzt. Sie forderten die Besinnung auf die Heilige Schrift, gestanden nur ihr allein Autorität zu und kritisierten die kirchliche Hierarchie. Die wichtigsten V. waren Petrus Waldes im Frankreich des 12. Jahrhunderts, John Wiclif im England des 14. Jahrhunderts und Jan Hus aus Böhmen, der 1415 in Konstanz auf dem Scheiterhaufen starb.
Um Gott zu zeigen, dass man ihn um Vergebung der Sünden bitten will, unternahmen viele Menschen zu Luthers Zeiten Wallfahrten. Das bedeutet, dass sie oft zu Fuß lange Strecken zu einem besonderen Ort gewandert sind. Damit Gott sehen konnte, dass sie ihre Schuld tief bereuen, haben sich manche Leute auf ihren Wallfahrten Erbsen in die Schuhe gelegt oder haben Teile des Weges auf Knien rutschend zurückgelegt. Luther war dagegen gewiss, dass wir dem Glauben nicht hinterherlaufen müssen, sondern aus Gnade gerettet sind (Martin Luther und das Pilgern).
Die WA ist die kritische Ausgabe sämtlicher Schriften Luthers, deren offizieller Titel eigentlich „D. Martin Luthers Werke“ lautet. Sie wurde zu Luthers 400. Geburtstag 1883 begonnen und konnte im Jahre 2005 abgeschlossen werden. Die WA umfasst inklusive Tischreden und Briefwechsel 120 Bände mit zusammen etwa 80.000 Seiten und liegt auch als Datenbank vor.
meint bei Luther neben der Bibelübersetzung das mündlich verkündigte Evangelium in der Predigt der Kirche, also deren „Laute und Worte“ (voces et verba). So kommt uns Menschen das Evangelium nah. Daneben aber hatten für Luther andere Zeichen denselben Stellenwert: das sichtbare und fühlbare Zeichen der Taufe und die sichtbaren und schmeckbaren Zeichen des Abendmahls. Ohne den Glauben haben sie alle keine heilvolle Wirkung. Aber damit diese äußeren Dinge zum Glauben führen oder ihn stärken, dazu bedarf es der Wirksamkeit des Heiligen Geistes.
Der Zölibat bedeutet das Versprechen, sein Leben in Ehelosigkeit zu verbringen. Seit dem Zweiten Laterankonzil (1139) war der Zölibat eine unbedingte Voraussetzung für den Priesterstand. Bis zum Konzil von Trient (Trient, Konzil) kam es vor, dass Priester mit ihren Konkubinen zusammenlebten. Dafür wurden ihnen in der Regel hohe Geldstrafen auferlegt. Martin Luther forderte seit 1520, den Zölibat abzuschaffen. Zwar gebe es Menschen, die von Gott ausgesucht sind, unverheiratet bleiben sollen – das ist aber die Ausnahme, nicht die Regel. Allen Menschen komme vielmehr der Ehestand zu. Er ist „ein göttlich edles Geschäft“. Die Diskussion über den Zölibat innerhalb der römisch-katholischen Kirche hält bis zum heutigen Tage an.
Mit den beiden Reichen ist einerseits die Welt, andererseits der Himmel gemeint, oder theologisch ausgedrückt: das weltliche und das geistliche Regiment. In der Z. wird gefragt, ob und wenn ja wie sich die beiden Reiche beeinflussen und inwiefern sie als zwei Regierweisen Gottes zu verstehen sind. Luther selbst hat die Z. als Terminus nicht gekannt, erst spät, im 20. Jahrhundert, wurde der Begriff eingeführt. Luther hat immer auf aktuelle Situationen reagiert und deshalb kein Interesse, eine Kirchen- und Staatstheorie vorzulegen.