PM 150 | 19.11.2020
Bericht von Landesbischof Kramer zu Beginn der digitalen Synodentagung

„Das Virus zeigt die Verwundbarkeit der globalisierten Welt“

Die Corona-Pandemie und deren Folgen stehen im Fokus des Berichts von Landesbischof Friedrich Kramer zum heutigen Auftakt der digitalen Synodentagung der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland (EKM). „Das Virus zeigt, wie verwundbar die globalisierte Welt ist, und die Gewissheiten der Beherrschung werden durch ein nur unter dem Mikroskop sichtbares Virus in Frage gestellt“, so der Landesbischof.

Zugleich zeige die aktuelle Krise, wie Situationen mit großem Einsatz und politischem Willen veränderbar seien. Dies stimme nachdenklich und könne ein Hoffnungszeichen sein, dass die die von der Weltgemeinschaft verabredeten Nachhaltigkeitsziele bis 2030 erreicht werden. „Unsere Welt ist krank. Und das Leiden tritt an vielen Orten gleichzeitig vor unsere Augen. Krieg, Gewalt und Flüchtlinge an so vielen Orten, das Schreien und Leiden der Schöpfung, der Hunger und die Ungerechtigkeit in den ärmsten Ländern, denen es in der Pandemie besonders schlimm ergeht. Viele dieser Leiden wären vermeidbar oder könnten durch großen politischen Einsatz geringer werden“, so Kramer.

Für gesellschaftlich nicht ausreichend diskutiert hält der Landesbischof ethisch umstrittene Themen wie das Recht auf assistierten Suizid sowie den Druck auf Mütter, die Kinder mit schweren Erbkrankheiten zur Welt zu bringen: „Dass der Mensch zum Herrn über Leben und Tod erklärt wird, hat schwerwiegende, noch nicht absehbare Folgen für unsere gesamte Gesellschaft“. Allmachtsphantasien seien uns Menschen noch nie bekommen. „Töten ist und bleibt ein Gewaltakt, sei es gegen andere oder sich selbst, und ist uns vom Herrn über Leben und Tod verboten“, betont Kramer mit Blick auf das Urteil vom Februar, indem das Bundesverfassungsgericht den § 217 StGB aufhob, der bis dato die „Geschäftsmäßige Förderung der Selbsttötung“ unter Strafe gestellt hat.

Corona sieht er nicht als eine von Gott geschickte Seuche, um Sünder zu strafen. „Für mich ist diese Corona-Zeit ein Bußruf, der uns mit ernsten Fragen konfrontiert: Wie können und wollen wir als Gesellschaft weitermachen? Was hat Gott mit uns vor? Bin ich bereit, getröstet zu sterben? Ich scheitere, ich versage, ich als Bischof, ständig. Wenn ich nicht dazu bereit wäre, könnte ich nicht gehen, könnte ich nichts tun. Etwas zu tun, heißt, schuldig zu werden, ganz besonders in dieser Krise, die so schwer zu überblicken ist, solange man drinsteckt. Die Zeit der Krise ist für mich also keine Zeit der lauten Worte, sondern eine Zeit der Buße, der Stille und des Gebets“, sagt Friedrich Kramer.

Zum bevorstehen Weihnachtsfest unter den Vorgaben der Pandemieschutzverordnungen äußert sich Landesbischof Kramer optimistisch: „Wir sind fantasievoll unterwegs und prüfen digitale Möglichkeiten, etwa für das Aufzeichnen von Krippenspielen, vor allem aber werden wir das Feiern ins Freie verlagern: auf den Marktplatz, ins Stadion, auf die Festwiese. Dazu sind meist umfangreiche Planungen nötig, die Geld kosten, die aber in vielen Fällen auch die Chance bieten, mit den Vereinen und kommunalen Vertretern vor Ort neue Wege der Zusammenarbeit auszuprobieren“.

Kritisch setzt sich der Landesbischof mit Vorwürfen auseinander, die Kirchen hätten bei der seelsorgerlichen Betreuung von Kranken, Alten und Sterbenden versagt und die Leitenden Geistlichen hätten in der Krise geschwiegen. Sein Fazit: „Wir haben so verantwortlich wie möglich gehandelt und tun das weiterhin“. Zur Bedeutung der Kirchen in der Krise betont Kramer: „Erst ganz langsam merkt die Gesellschaft, dass die Bewahrung an Leib und Leben nicht den ganzen Menschen ausmacht, dass es sich auswirkt, wenn wir Seele und Geist und Herz und Sinn vernachlässigen. Wir sind vielleicht nicht in einem elementaren Sinne systemrelevant, aber wir sind heils- und himmelreichsrelevant“. Schmerzhaft bewusst werde jetzt auch, dass wir Menschen nicht für soziale Distanz geschaffen seien. „Wie können wir berühren, wenn wir uns nicht berühren dürfen“, so der Landesbischof.

Die Landeskirche kritisiert er als zu „pfarrerzentriert“. Ehrenamtliche müssten noch mehr unterstützt und gestärkt werden, und er wünscht sich eine Kultur, in der Ehren- und Hauptamtliche auf Augenhöhe miteinander reden und handeln.

Hintergrund
Die Landessynode besteht aus 80 gewählten und berufenen sowie solchen Mitgliedern, die ihr von Amts wegen angehören. Sie verkörpert die Einheit und Vielfalt der Gemeinden, Kirchenkreise, Dienste, Einrichtungen und Werke im Bereich der Landeskirche. Die Landessynode tritt in der Regel zweimal im Jahr zu mehrtägigen, öffentlichen Sitzungen zusammen.

Hinweise:
Sämtliche Unterlagen zur Landessynode finden Sie unter:
www.ekmd.de/kirche/landessynode/tagungen/11-tagung-der-ii-landessynode-19-bis-20-november-2020-digitale-tagung.html


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