PM 063 | 19.08.2018
Protest gegen Rechtsrock-Konzert | Junkermann: "Hass und Gewalt nicht mit Glauben vereinbar"

Die Evangelische Kirche engagiert sich bei den demokratischen Protestveranstaltungen am 25. August im thüringischen Mattstedt. So wird eine FahrradSternenDemo in Apolda, Bad Sulza und Oßmannstedt beginnen. In der Kirche Mattstädt sind ein Friedensgottesdienst sowie vier Friedens-Andachten geplant. Es gibt Kreativangebote für Kinder auf dem Pfarrhof und die Jesus Freaks organisieren ein Café mit Kuchenspenden aus den Kirchengemeinden der umliegenden Orte.

„Wir wollen das Weimarer Land und Thüringen mit Mattstedt verbinden. Die Mattstedter sollen mit diesem Rechtsrock-Konzert, das Hass und Menschenverachtung verbreitet, nicht allein gelassen werden“, sagt die Apoldaer Pfarrerin Dr. Susanne Böhm, derzeitige Vakanzvertreterin für die Kirchengemeinde Mattstedt.

Die FahrradSternenDemo wird von den Kirchenkreisen Apolda-Buttstädt und Weimar organisiert. Startzeiten: ab Bahnhof Apolda 10 Uhr, ab Bahnhof Bad Sulza 10.30 Uhr und ab Bahnhof Oßmannstedt 10 sowie 11 Uhr. Die Kirchen der durchfahrenen Orte werden offen sein und Trinkwasser anbieten.

Die Johannisgemeinde Niederroßla und die Evangelisch-Lutherische Kirchengemeinde Apolda planen den Friedensgottesdienst in der Kirche Mattstädt um 10 Uhr. Um 12, 14, 16 und 18 Uhr schließen sich Andachten an. Pfarrer und Mitglieder der Kirchengemeinden der Region engagieren sich dafür gemeinsam. Für die musikalische Begleitung sorgt unter anderem die Band „Trinity“ der Mattstedter Kirchengemeinde mit christlicher Pop- und Rockmusik. Die Musiker werden außerdem im abendlichen Konzert im Kulturzentrum des Ortes auftreten.

Die Stiftung Carolinenheim (u.a. Träger von Diakoniewerk Apolda gGmbH sowie CaroServ GmbH) sorgt für einen Kleinbus-Shuttle samt Fahrer.

Landesbischöfin Ilse Junkermann hat dazu aufgerufen, sich an den Protesten gegen das Rechtsrock-Konzert zu beteiligen: "Lasst uns auf friedliche, bunte, fröhliche Weise zeigen, dass die menschenverachtende Stimmungsmache solcher Konzerte von der Mehrheit der Menschen unseres Landes abgelehnt wird. Hass und Gewalt schüren ist nicht mit unserem Glauben und auch nicht mit unserer freiheitlichen, demokratischen Gesellschaft vereinbar. Nicht mit Angstmache, nur mit Mitmenschlichkeit und Zugewandtheit können wir die vielen anstehenden Aufgaben für unsere Gesellschaft lösen. Lassen wir das größte geplante Rechtsrock-Konzert Deutschlands zum größten Desaster für Kräfte werden, die Hass und Menschenverachtung schüren wollen. Dieses wiederholte große Rechtsrock-Treffen in Thüringen mahnt uns, mit allen demokratischen Kräften gemeinsam dafür einzustehen, dass alle Menschen in unserem Land als Einzelne, unabhängig zum Beispiel von Herkunft, Aussehen und Religion, Respekt erfahren und ihre unverletzliche Würde nicht infrage gestellt wird. Eine solche Spaltung unserer Gesellschaft schadet allen. "

Hintergrund: In dem 500-Einwohner-Dorf Mattstedt im Weimarer Land wurde auf einem ehemaligen Fabrikgelände eines privaten Besitzers ein Rechtsrock-Konzert als Versammlung angemeldet. Das „Bürgerbündnis Buntes Weimarer Land“ hat mehrere Gegenveranstaltungen geplant. Neben der Fahrrad-Sternfahrt und Demonstrationen soll es eine Straße der Demokratie und ein Konzert gegen Rechts geben.

Auch der Internationale Audiodienst (iad) hat über den Protest gegen das Rechtsrock-Konzert einen Beitrag erstellt, zu hören unter: https://audiodienst.de/mediathek/landeswelle-thueringen/2018/08/22/protest-gegen-rechtsrock-in-mattstedt-am-samstag-2/8102

Dirk Löhr vom epd sprach mit Thüringens Innenminister Georg Maier (SPD) über die geplante Rechtsrock-Veranstaltung und die Chancen auf ein Verbot:

epd: Warum dürfen immer wieder Rechtsrockkonzerte mit tausenden Neonazis in Thüringen über die Bühne gehen?

Maier: Da ist eine Plage, die nicht nur uns trifft, wenn man zum Beispiel an das Konzert im sächsischen Ostritz denkt. Aber in dem Ausmaß wie hier, immer wieder mit Tausenden Besuchern, ist das Problem in unserem Bundesland besonders groß. Das liegt auch an unserer Lage. Rechtsextreme, selbst wenn sie von weit her kommen - und das trifft auf sehr viele der Konzertbesucher zu - finden wegen seiner zentralen Lage in Deutschland und Europa schnell nach Thüringen.
epd: Die geografische Lage ist das eine, aber hat sich nicht gerade in Südthüringen mit den Jahren eine starke rechte Szene etabliert?
Maier: Ein gewisses Ökosystem, in dem sich Rechtsextreme eingerichtet haben, lässt sich nicht bestreiten. Sie verfügen über eigene gastronomische Einrichtungen und haben Zugriff auf Veranstaltungsorte wie eben die Wiese in Themar. Um hier gegenzusteuern, braucht es einen langen Atem. Nicht nur auf Seiten des Staates und der Behörden, hier muss auch mehr zivilgesellschaftliches Engagement wachsen.
epd: Warum werden diese Konzerte nicht verboten?
Maier: Weil es rechtlich nicht möglich ist. Diese Konzerte tarnen sich als politische Versammlungen. Die Versammlungsfreiheit ist in Deutschland ein so hohes Gut, dass die Gerichte Verbote in der Regel aufheben. Das ist nicht leicht zu akzeptieren, auch ich habe da dazulernen müssen. Es ist und bleibt perfide, dass die, die sich auf die Versammlungsfreiheit berufen, genau diese als erstes abschaffen würden, bekämen sie die Chance dazu.
epd: Viele Mattstedter sagen, das sind doch Nazis...
Maier: ...was ja auch stimmt. Aber das reicht nicht, um die Konzerte zu verbieten. Was wir tun können, ist mit Auflagen an die Versammlung und ihrer strikten Durchsetzung Rechtsrockkonzerten ihre Attraktivität zu nehmen. Das tun wir.
epd: Was für Auflagen sind das?
Maier: Diese Frage will ich nicht öffentlich beantworten, damit sich die Rechtsextremen nicht darauf einstellen können. Nur so viel: Wir haben noch einige Pfeile im Köcher.
epd: Mit wie vielen Rechtsextremisten rechnen Sie in Mattstedt?
Maier: Es werden voraussichtlich wieder mehrere Tausend sein.
epd: Und wie viel Gegendemonstranten werden erwartet? Wie viele Polizisten kommen zum Einsatz?
Maier: Zur Anzahl der Beamten möchte ich aus einsatztaktischen Überlegungen nichts sagen. Aber es werden genügend sein. Mehrere Bundesländer habe uns ihre personelle Unterstützung zugesagt. Es sind auch Spezialkräfte eingeplant, die sofort eingreifen, sollten zum Beispiel indizierte Lieder gespielt werden. Was das zivilgesellschaftliche Engagement angeht, hoffe ich, es werden deutlich mehr Gegendemonstranten als zuletzt in Themar. Mattstedt ist nicht so weit von Thüringens großen Städten entfernt. Und auch die Kirche ruft wieder zum friedlichen Protest auf. Dafür bin ich dankbar.

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RÜCKFRAGEN

Pfarrerin Dr. Susanne Böhm, 03644-6517720


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