19.05.2019
Festgottesdienst zur Ordination am Sonntag Kantate, 19. Mai 2019, im Dom zu Magdeburg

Predigt zu Apg. 16,23-24

 

Liebe Festgemeinde!

Singt dem Herrn ein neues Lied, denn er tut Wunder! Singt dem Herrn, denn er befreit und es geschehen Zeichen und Wunder!  Im Predigttext für den Sonntag Kantate werden uns gleich drei Wunder erzählt. Hört davon aus Apg. 16, 23 – 34:

23 Nachdem man sie hart geschlagen hatte, warf man sie ins Gefängnis und befahl dem Kerkermeister, sie gut zu bewachen.

24 Als er diesen Befehl empfangen hatte, warf er sie in das innerste Gefängnis und legte ihre Füße in den Block.

25 Um Mitternacht aber beteten Paulus und Silas und lobten Gott. Und es hörten sie die Gefangenen.

26 Plötzlich aber geschah ein großes Erdbeben, sodass die Grundmauern des Gefängnisses wankten. Und sogleich öffneten sich alle Türen und von allen fielen die Fesseln ab.

27 Als aber der Kerkermeister aus dem Schlaf auffuhr und sah die Türen des Gefängnisses offen stehen, zog er das Schwert und wollte sich selbst töten; denn er meinte, die Gefangenen wären entflohen.

28 Paulus aber rief laut: Tu dir nichts an; denn wir sind alle hier!

29 Der aber forderte ein Licht und stürzte hinein und fiel zitternd Paulus und Silas zu Füßen.

30 Und er führte sie heraus und sprach: Ihr Herren, was muss ich tun, dass ich gerettet werde?

31 Sie sprachen: Glaube an den Herrn Jesus, so wirst du und dein Haus selig!

32 Und sie sagten ihm das Wort des Herrn und allen, die in seinem Hause waren.

33 Und er nahm sie zu sich in derselben Stunde der Nacht und wusch ihnen die Striemen. Und er ließ sich und alle die Seinen sogleich taufen

34 und führte sie in sein Haus und bereitete ihnen den Tisch und freute sich mit seinem ganzen Hause, dass er zum Glauben an Gott gekommen war.

Herr, tue meine Lippen auf, dass mein Mund Deinen Ruhm verkündige. Amen.

 

Liebe Festgemeinde, liebe Ordinandinnen und Ordinanden,

Singen befreit! Singen macht den Weg frei für Gottes Wunder: für Hoffnung, für Liebe und für den Glauben. Das also ist Euer Dienst: In großer Freiheit von Gottes Wundern sagen und singen. Und im Singen und Sagen Freiheit erfahren, im Sagen und Singen Freiheit bringen.

Doch der Reihe nach!

Ja, Paulus und Silas sitzen im Gefängnis. Im Dienst der Freiheit waren sie unterwegs – und landeten dafür im Gefängnis. Sie hatten eine Sklavin von einem Wahrsage-Geist befreit. Doppelt besessen war sie gewesen, nicht Herrin über sich: von einem Wahrsagegeist und von ihren Besitzern. Diese verdienten gutes Geld mit ihr und ihrem Geist.

Und da kommen zwei Dahergelaufene und treiben diesen Geist aus! Und die schöne Geldquelle – mit einem Mal: futsch.

Da bringen ihre Herren die Befreier vor Gericht. ‚Sie machen Aufruhr‘, sagen sie; ‚sie sind Ausländer, Juden, sie wollen unsere Kultur zerstören!‘

Da empört sich das Volk – und die Richter lassen die beiden  ausziehen und schlagen und dann ins Gefängnis werfen.

Ins Innerste des Gefängnisses heißt es ausdrücklich. Dort war zu diesen Zeiten ein Loch, in das besonders gefährliche Gefangene kamen. Dort ist die Tür zur Freiheit am weitesten entfernt. Und dort werden sie als doppelte Sicherung auch noch in den Block gelegt, ihre Füße festgehalten im Holzblock. So können sie sich keinen Millimeter wegbewegen.

Der Gefängniswärter bekommt Weisung, sie besonders gut zu verwahren.

Und er – waltet ja nur seines Amtes. Er ist einer im Rechts- oder Unrechtssystem, er tut, was ihm aufgetragen ist. Was sollte dagegen sprechen, seinen Job gut zu machen?

Eine Frage bis heute. Das ist eine Frage an uns alle, denn wir alle sind Teil innerhalb eines Systems. Wir können nur mehr oder weniger aussteigen, aber keine und keiner von uns kann ganz aussteigen aus den gegenwärtigen Systemen, in denen Unrecht geschieht.

Und die Gefangenen? Die Opfer?

Nun waren sie im Dienst der Freiheit tätig gewesen. Und was ist der Preis dafür? Ja, ihre Freiheit! Sie büßen ihre Freiheit ein. Gedemütigt, entehrt sind sie – und nun im finsteren Loch. Ungewiss, was aus ihnen wird. ...

..........

Ich an ihrer Stelle - würde verzagen, liebe Gemeinde.

Wie würde es Ihnen gehen?

Je weiter die Nacht voranschreitet – desto mehr würde mein Mut sinken. Ja, die Dunkelheit der Nacht würde das Dunkel der Situation verstärken und undurchdringlich machen.

Die beiden Gefangenen liegen wohl schon einige Stunden im Block. Bestimmt schmerzen die Striemen von der Misshandlung und den Schlägen. Und bestimmt schmerzt der ganze Körper von der unnatürlichen Haltung. Ob ihr Stöhnen zu hören ist? Ob sie weinen? Ob sie sich gegenseitig Mut zusprechen? Oder ob sie einfach erschöpft da sitzen, da liegen? Darüber wird uns nichts erzählt.

Und nun ist Mitternacht. Das ist die Stunde tiefster Nacht, die Stunde, in der das Licht des Tages am weitesten weg ist.

Lukas schildert bewusst: die dunkelste Stunde und der dunkelste Ort – da befinden sich beide.

Und genau da, als das Licht der Zuversicht so weit entfernt, wie die Tür zur Freiheit, genau dann und dort fangen die beiden an zu singen.

Singen befreit! In der dunkelsten Stunde. Am dunkelsten Ort. Sogar im Kerker.

Was sie wohl gesungen haben?

Ich bin gewiss, sie haben Psalmen gesungen.

Denn die kannten sie. Und viele Psalmen beginnen mit der Klage: Wo ist Gott? Warum lässt er die Feinde triumphieren? Warum hat er den verlassen, der unschuldig leidet? Auch Jesus hat ja so gerufen und gebetet.

Und mitten in der Klage – wendet sich das Lied. Es wendet sich zu einem Lied der Hoffnung. Es wendet sich von der Klage zum Lob Gottes, zum Lob des Gottes. Sing Halleluja, denn Gott hilft. Mitten in die Klage drängt sich die Erinnerung: Wie oft hat Gott schon geholfen. Er befreit! Er rettet. Er sorgt für Recht und Gerechtigkeit! Auf ihn ist Verlass!

Haben Sie auch solche Erinnerung? Erinnerung an Gottes Hilfe?

Gut, wenn ich das in meinem Lebensschatz habe: Wie sich eine Situation wendet – und was so aussichtslos zu war – sich neu öffnet.

Gut, wenn es Lieder und Musik gibt, die solche Erinnerung mit sich tragen. Gut, wenn ich über Lieder und Musik von solchen Erfahrungen höre und sie mir zum Trost werden; sie mich mitnehmen in Hoffnung hinein

So singen sich die beiden diese Erfahrung zu: sich selbst und gegenseitig zu. Mitten in der größter Dunkelheit und Unfreiheit - recken sie sich innerlich empor am Lied der Befreiung. Mitten in dunkelster Nacht strecken sie sich aus zu ihrem Gott: Er führt aus Gefangenschaft und Unterdrückung. So keimt die Hoffnung. So wächst das Wunder: Die Gefangenen hoffen auf Freiheit.

Da geschieht das äußere Wunder: Gott greift ein. Die Erde bebt. Alle Türen gehen auf. Die Fesseln fallen einfach ab.

Ich frage mich: Kann das wirklich so gewesen sein? Dieses Wunder so groß, so spektakulär, so gewaltig?

Wo geschieht so etwas heute? Wo öffnen sich Türen, wo lösen sich Fesseln wie von selbst? Wie bitter nötig wären  solche Wunder heute! In China und Nordkorea, wo die Menschenrechte mit Füßen getreten werden. In der Türkei, wo Kritiker im Gefängnis gebrochen werden sollen. Und im Iran und Pakistan, um nur zwei Länder zu nennen, in denen Christen im Gefängnis landen, ja umgebracht werden.

Wann kommt ein  Beben und befreit die Vielen, die zu Unrecht in den Gefängnissen in aller Welt gefoltert, misshandelt und weggeschlossen werden? Wann öffnen sich ihre Türen und fallen ihre Fesseln ab?

Wunder kommen nicht auf Wunsch, auch nicht auf jedes Lied ... . Und dennoch: Das Wunder der Hoffnung – Sie kennen, ich kenne sie, wie sie in uns keimt und wachsen kann, die Hoffnung; gegen jede Vernunft und nüchterne Einschätzung.

Und offenbar, offenbar kommt es gar nicht so sehr auf das äußere Wunder an. Denn: Die Gefangenen gehen nicht durch die offenen Türen ins Freie. Alle sind frei – und keiner geht. Sie wollen – ja, tatsächlich, sie wollen nicht, dass ihre Freiheit auf Kosten der Freiheit, ja des Lebens des anderen geht: auf Kosten des Täters, des Unterdrückers, der Teil des Unrechtssystems ist.

Das ist das nächste Wunder: das Wunder der Liebe. Das Wunder, dass die beiden sich so frei und geborgen in Gott wissen, dass sie diese Freiheit auch dem Kerkermeister er-öffnen wollen. Nein, sein Leben soll nicht zu Ende sein. Offenbar drohte ihm eine solch schlimme Strafe für den Fall, dass seine Gefangenen fliehen konnten, dass er sich lieber das Leben nehmen wollte.

Auch der Täter soll leben und frei werden von seinen Untaten. Das Wunder der Liebe erfährt er -

Und so geschieht das nächste Wunder: das Wunder des Glaubens.

Dermaßen erschüttert von der inneren Freiheit der beiden freien Gefangenen – da kann der Kerkermeister offenbar darauf lauschen, wie auch in ihm die Sehnsucht nach Freiheit ihr Lied singt. Da ist einer, der ihn aus dem Unrechtssystem rettet. Da sind welche, denen er lieb und wert ist, die ihn nicht auf seine Untaten und Taten festlegen und reduzieren.

So frei will auch er werden. Und er lässt sich taufen und unterstellt sich dem Herrn Jesus, dem Retter und Befreier.

„Singt dem Herrn ein neues Lied, denn er tut Wunder!“ Er führt vom Dunkel zum Licht; von der Gefangenschaft zur Freiheit; von der Gegnerschaft / Unterdrückung zur Tischgemeinschaft auf Augenhöhe.

Das also ist Euer Dienst: Erzählt den Menschen vom Wunder des Glaubens! Erzählt vom Wunder der Liebe! Erzählt vom Wunder der Hoffnung! Erzählt singt gemeinsam das Lied der Freiheit.

Ja, singt das Lied der Hoffnung!

Ja, singt das Lied der Liebe!

Ja, singt das Lied des Vertrauens in den Herrn, der befreit!

Ja, singt – und lobt diesen Gott, der Wunder tut! Lasst ab von der alten Leier und singt neue Lieder! Lieder, in denen das neue Leben des Ostermorgens anklingt und in unsere Welt tönt.

Ja singt! Halleluja! Amen.

Und der Friede Gottes...


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