Predigt am 31.10.2025 im ARD-Fernsehgottesdienst am Reformationstag, Unterkirche Bad Frankenhausen, Landesbischof Friedrich Kramer
Beim Gottesdienst in Bad Frankenhausen erinnerte Landesbischof Friedrich Kramer sowohl an Martin Luther als auch an den Bauernkrieg vor 500 Jahren.
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Es gilt das gesprochene Wort.
Gnade sei mit euch und Friede von dem, der da ist und der da war und der da kommt: Jesus Christus!
AMEN
Liebe Gemeinde,
Wie groß war die Freude, als die Waffen in Gaza schwiegen und endlich die letzten lebenden Geiseln freikamen. Lachen und Jubel auf beiden Seiten über das Schweigen der Waffen. Wochen später zeigt sich: für einen gerechten Frieden muss ein langer Weg gegangen werden. Wie wird Gerechtigkeit und wie kann aus einem Waffenstillstand ein gerechter Frieden werden?
Die im Gazastreifen leben, brauchen jetzt schnell ein Dach überm Kopf, Essen und Trinken und vor allem Zukunft. Die in Israel leben brauchen die Gewissheit, das sie nicht angegriffen werden und sich kein Massaker wiederholt. Die Kinder brauchen eine echte Friedensperspektive. Es muss Raum sein, dass Traumata aufgearbeitet werden können. Es braucht viele begabte Menschen, die da sind und zuhören, die helfen, gerechte Strukturen aufzubauen, Friedensstifter, die Gespräche und Verständigung in Gang bringen. Dann kann Frieden werden. Jetzt ist Waffenruhe. Das ist ein Anfang.
Wie groß war die Verzweiflung der Überlebenden nach der Schlacht in Frankenhausen. Sie wollten Gerechtigkeit und Freiheit, von der sie aus der Heiligen Schrift und von Martin Luther und den anderen Reformatoren gehört hatten und es endete im Blutbad. Thomas Müntzer hatte unter dem Regenbogen, der am Himmel stand, zum Kampf gegen die Fürsten gerufen. Der Regenbogen das Zeichen Gottes für den Frieden nach der Flut.
Müntzer predigte gegen die Gottlosen. Gottes Reich wollte er mit Gewalt herbeizwingen.
Wie sinnlos sind die Gewalt und der Krieg, die keinen Frieden schaffen. So hören wir es in den Worten des Soldaten aus Afghanistan. Warum haben wir nichts gelernt? “Sterben müsste hier keiner, wenn ein vernünftiger Dialog geführt würde.” Die Soldaten halten zuerst den Kopf hin und ihre Seelen nehmen Schaden.
Und wieder hören wir vom Krieg, auf den wir uns vorbereiten müssen und Angst greift um sich.
Und dann sind wir heute hier in Bad Frankenhausen und hören die Heilige Schrift, die uns aufruft Gott zu lieben: von ganzem Herzen, von ganzer Seele und mit aller Kraft.
Von ganzem Herzen, von ganzer Seele und mit all deiner Kraft, so sollst du Gott lieben und Gottes Wort zu Herzen nehmen und davon ständig reden. Die Reformation hat uns genau dies ermöglicht, die Bibel in unserer Sprache zu lesen zu. Das feiern wir am Reformationstag.
Von Jesus hören wir. Er lässt die leuchten, die es schaffen, Frieden auf den Weg zu bringen. Es braucht die, die hungern und dürsten nach Gerechtigkeit. Die aber gleichzeitig Nein zur Gewalt sagen. Sanftmut statt Kampfmut. Barmherzigkeit statt Feindeshass. Und du erkennst die Kinder Gottes, die Gott mit ganzer Kraft lieben und vertrauen daran, dass sie Frieden stiften. Frieden ist mit diesen Worten zu lernen.
Gottes Worte sind Lernhilfen zum Frieden. In dieser Kirche können wir es an mehreren Stellen lesen: „Selig sind, die Frieden stiften.“. So hat es Luther übersetzt. Und am Reformationstag denken wir an Martin Luther und seine 95 Thesen, die die Welt veränderten. Gleichzeitig mit Blick auf den Schlachtenberg sehen wir heute Luther zwiespältig, da er die Fürsten zur Gewalt gegen die Bauern aufrief und somit das Töten rechtfertigte.
Thomas Müntzer war Teil der Reformationsbewegung. Auch er rechtfertigte die Gewalt der Bauern gegen die Gottlosen. Die DDR, die sich als Arbeiter- und Bauernstaat verstand, überhöhte Müntzer als Bauernführer und ließ zum Gedächtnis an ihn und die Schlacht ein monumentales Panoramagemälde auf dem Schlachtenberg erstellen. Dort lässt Müntzer seine Fahne sinken. Aber auf dem Gemälde fehlen auf der Fahne der Regenbogen und der Spruch: „verbum domini manet in aeternum“, zu deutsch: „Das Wort Gottes bleibet in Ewigkeit“. Müntzer hatte dies auf seiner Fahne. Aber das passte nicht in das sozialistische Weltbild: das Gottes Wort in Ewigkeit bleibt.
Aber genauso ist es heute in Bad Frankenhausen, Gottes Wort steht auf in unserer Mitte und ruft zum Durst nach Gerechtigkeit, zu Barmherzigkeit und Sanftmut, zum Friedensstiften. Die Gewalt, von der Luther und Müntzer reden, stellt Jesus infrage.
Die Schülerinnen und Schüler haben sich gefragt, was es gebraucht hätte, um das Blutvergießen hier in Bad Frankenhausen zu verhindern. Wer hätte wann „Stopp“ sagen müssen damit es nicht zur Schlacht kommt? Wo wären Wege zum Frieden gewesen? Wenn sie sich zusammengesetzt hätten, und die Bauern hätten sagen können, was sie brauchen. Dann hätten die Fürsten vielleicht eingesehen, dass es so nicht weitergehen darf. Sich um einen Tisch setzen, reden, den anderen ausreden lassen, seine Position wenigstens einmal durchdenken. So einfach, sagt der Grundschüler, ist das.
Es braucht noch eins mehr, auf das uns der Predigttext hinweist: ein Besinnen darauf, dass Gott Gott ist und wir uns nicht an seine Stelle setzen können.
„Höre, Israel, Der Herr ist unser Gott, der Herr allein. Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben mit deinem ganzen Herzen, mit deiner ganzen Seele und mit deiner ganzen Kraft.“ Dieses jüdische Glaubensbekenntnis ist das Herzstück des jüdischen Glaubens. Dieses Bekenntnis bringt man schon Kindern bei und flüstert es Neugeborenen ins Ohr als erstes Wort, das sie von der neuen Welt hören. Es sind oft die letzten Worte, die Sterbende sprechen. Mit dem „Höre, Israel“ beginnen fromme Juden ihren Tag und beenden ihn.
In diesen Worten lesen auch wir Christen in wenigen Versen, worauf es ankommt: Gott als den Einen zu lieben und zu ehren, und zwar mit meiner ganzen Existenz. Dafür stehen Herz und Seele und Kraft. Wo Gott aber Herz und Seele erreicht, verändert sich der ganze Mensch. Und er vermag zu lieben und Frieden zu stiften. Mit all seiner Kraft.
Wenn wir Gott Gott sein ließen und uns nicht an seine Stelle setzten. Wenn wir im Streit nicht so auftreten würden, als wären wir Gott und nur unsere Meinung müsse gelten, sondern als Mensch dem Menschen begegnen: was wäre dann alles möglich?
Die Sehnsucht nach Frieden hat Gott den Menschen ins Herz gelegt. Denn Gott selbst ist Friede. Wo wir Gott lieben und auf ihn hören und seiner saften Friedensstimme vertrauen, da leuchtet das Friedensreich Gottes auf, wie ein strahlender Regenbogen.
AMEN
Und der Friede Gottes,
der höher ist als alle Vernunft
ergreife Euer ganzes Herz und Eure ganze Seele,
auf das ihr Frieden lebt mit ganzer Kraft
in Christus Jesus
AMEN