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Predigt am 31.10.2025 zur Wiedereinweihung der historischen Steinkanzel in der Stadtkirche Heldburg, Landesbischof Friedrich Kramer

Wiedereinweihung der historischen Steinkanzel in der Stadtkirche Heldburg

Gnade sei mit euch und Friede von dem, der da ist, der da war und der da kommt, Christus Jesus. Amen. 

Liebe Gemeinde, kurz und kompromisslos eindeutig fasst Paulus zusammen, was das Evangelium von Jesus Christus ist: eine befreiende Botschaft, eine Botschaft der Freiheit, eine Botschaft, die Freiheit schenkt, in der wir bleiben sollen. 
Hört den Predigttext für die heutige Wiederindienstnahme dieser Kanzel aus dem Galaterbrief des Paulus im fünften Kapitel:

1Zur Freiheit hat uns Christus befreit! So steht nun fest und lasst euch nicht wieder das Joch der Knechtschaft auflegen! 2Siehe, ich, Paulus, sage euch: Wenn ihr euch beschneiden lasst, so wird euch Christus nichts nützen. 3Ich bezeuge abermals einem jeden, der sich beschneiden lässt, dass er das ganze Gesetz zu tun schuldig ist. 4Ihr habt Christus verloren, die ihr durch das Gesetz gerecht werden wollt, aus der Gnade seid ihr herausgefallen. 5Denn wir warten im Geist durch den Glauben auf die Gerechtigkeit, auf die wir hoffen. 6Denn in Christus Jesus gilt weder Beschneidung noch Unbeschnittensein etwas, sondern der Glaube, der durch die Liebe tätig ist. (Gal 5,1-6)

Gott schenke uns ein Wort für unser Herz und ein Herz für sein Wort. Amen. 
Liebe Schwestern und Brüder, wir feiern heute Reformationstag.
Und 1517, Sie wissen es: Martin Luther schlug die 95 Thesen an die Thesentür in Wittenberg und hat damit etwas in Gang gebracht, was eine Riesenbefreiung, eine große Freiheit für viele Menschen war und ist, bis heute. Das Wort Gottes so hören und lesen zu können, dass man es versteht in der eigenen Sprache. Dass man dem Wort vertrauen kann, weil es nicht fremd und fern ist. Und weil man sich von dem Wort Gottes einladen lassen kann, an den zu glauben, der das Heil der Welt ist, der unsere Rettung ist.
Und Paulus im Galaterbrief schreibt, dass wir als Christen zur Freiheit berufen sind. Wie frei fühlen Sie sich heute Abend? Haben Sie das Gefühl, dass die Freiheit Ihr Herz bestimmt? Oder haben Sie das Gefühl, dass zu viel über Sie geherrscht wird? Woran binden Sie sich, dass Sie frei sind? Oder glauben Sie, dass Freiheit die Freiheit von allen Bindungen ist? Wie denken Sie über Freiheit? Sind Sie der Freiheit überdrüssig? Wünschen Sie sich lieber, dass einer sagt, wo es langgeht? Wie ist das mit der Freiheit? Paulus hat zwei völlig verschiedene Lebenszugänge im Blick, zwischen denen es sich zu entscheiden gilt. 
Der erste ist der schmalere Weg:
Ich wage mich, im Letzten nicht mich auf mich selbst zu verlassen, sondern mich an Christus zu binden. Ja, ich verlasse mich nicht auf mich, sondern ich weiß, ich bin schon erlöst. Es ist alles schon getan. Da habe ich alles schon geschenkt bekommen. Ich bin befreit, von allen Zwängen noch etwas leisten zu müssen. Und die Umstände und Nöte, in die mich andere zwingen können, spielen keine große Rolle mehr, denn sie haben letztlich keine Macht, weil ich Christus gehöre. Das heißt, das Wort „Ich“ in kleinen Buchstaben zu schreiben. 
Der andere Zugang zum Leben heißt, zu meinen, es ginge eben doch nur mit dem großen Ich: Ich. Ich. Ich muss es alles tun.
Ich muss es leisten. Ich muss es schaffen. Ich kann mich nirgendwo anlehnen, sondern ich muss alles selbst schaffen. Die Probleme meines Lebens muss ich selber in den Griff bekommen. Das Heil muss ich mir erarbeiten. Nur wenn ich wirklich gut bin, dann bekomme ich auch Anerkennung.
Und das führt oft zu einem Ich, das den anderen aus dem Blick verliert. In Zeiten, wo viele unsicher sind, gewinnen politische und religiöse Fundamentalismen an Anziehungskraft. Und die Maga-Bewegung – zum Beispiel in Amerika oder auch andere populistische Bewegungen – versuchen, das Ich des Egoismus großzuschreiben: Denk zuerst an dich, und wenn jeder an sich denkt, ist an alle gedacht. Da verliert man die anderen aus dem Blick. Man bindet sich nur noch an sich selbst und will sich nicht binden lassen.

Paulus protestiert dagegen. Und zwar so, wie es jeder jüdische Mensch, der gläubig lebt, bis heute bestätigen würde. Wenn man die Thora, das Gesetz erfüllen will, dann kann man nicht ein bisschen davon nehmen, sondern dann das Ganze. Also entscheidet euch: Entweder alle Freiheit oder keine Freiheit. So klar sagt es Paulus, und alles hängt von deinem Glauben an. 
Heute, vor 508 Jahren, Luther in Wittenberg, 95 Thesen. Der Ablasshandel war übrigens ein super Geschäft. Mit der Angst der Menschen, da konnte man ordentlich Geld verdienen. Und es war damals auch ein Papst Leo X., der in Rom eine große Baustelle geplant hatte, nämlich den Petersdom. Und er brauchte Geld und hatte für den Neubau des Petersdoms, ein Jahrhundertprojekt ist, das man heute noch bestaunen kann. Er brauchte Geld und hat den Ablasshandel nach oben geschoben.
Die Angst vor Gottes Höllenstrafen war so groß, dass das Geschäft blendend lief. Viele verdienten gut daran, darunter auch der Mainzer Kurfürst Albrecht von Brandenburg, der sich in Halle eine kostspielige Residenz gebaut hat und ebenfalls Geld brauchte und sich am Ablasshandel beteiligte. Sie alle kennen einen seiner großartigen Ablasshändler, Tetzel.

Der lief vor Wittenbergs Dörfern herum und predigte, und die Angst des Höllenfeuers wurde immer heißer. Und Martin Luther wurde das Gefühl nicht los, hier ist was gehörig faul. Denn in der Bibel, die er gerade im Neuen Testament sich angelesen hatte, noch nicht übersetzt, aber er war in der Schrift zu Hause, da stand nichts von solchem Ablass, nirgendwo. Buße ist kein Geschäft, sondern ist eine persönliche Entscheidung der Änderung des Lebens. Das kann einem keiner abnehmen, da kann man sich auch nichts kaufen.
Und den Himmel kann man sich nicht kaufen, den gibt es nämlich geschenkt. Luther hatte Fragen. Und seine Thesen am Vorabend von Allerheiligen – übrigens sehr frech, weil am Tag drauf eröffnete sein Kurfürst in der Schlosskirche seine schöne Reliquiensammlung, wo es auch Ablass gab.
Ein frecher Professor, der seinen eigenen Landesherrn provozierte, Friedrich den Weisen. Und er sagte: Tu Buße! Das ganze Leben soll Buße sein, denn nur wer umkehrt zu Christus, wer sich an Christus bindet, kann wahrhaft frei sein. In Leipzig später auch eine akademische Debatte, aber die Thesen waren so interessant für die Leute damals, dass sie landauf, landab bekannt wurden.

Und der gute Luther hat später den Brief an die Galater übersetzt, und Paulus ringt hier ebenfalls mit der Frage: Was soll gelten? Gilt das, was bisher galt mit den Geboten, und die Gesetze, wie ist das für die Christen? Oder ist mit Christus eine neue Freiheit gekommen? Eine Freiheit von selbst- und fremdauferlegten Normen, Konventionen, Maßstäben und Ansprüchen. Christus befreit von jeglicher Last und von jeglichem Joch, das hatte Paulus selbst erfahren. Er war einer, der alles richtig machen wollte, und weil er fand, dass die Christen alles falsch machen, verfolgte er sie.
Doch dann in Damaskus hatte er die Erkenntnis: Christus ist der Weg der Freiheit, der Weg des Evangeliums, der guten Botschaft. Und Luther nimmt das auf mit seinen 95 Thesen und später seiner wundervollen Schrift „Von der Freiheit eines Christenmenschen“. Ein Christenmensch ist niemandem untertan und niemandem Kneccht im Glauben. Fröhliche Glaubensfreiheit. Aber, Satz 2: Ein Christenmensch ist jedermann untertan und jedes Mann Knecht in der Liebe. Und dieser Zusammenhang ist zentral.

Wir feiern heute hier in Heldburg diesen Festgottesdienst am Reformationstag. Und Ihre wundervolle Steinkanzel, die Sie jetzt schon die ganze Zeit im hellen Licht erstrahlen sehen, ist wieder hier am Ort angebracht. Jetzt kann man schöne Dialogpredigten führen. Vielleicht mag Nikolaus sich noch einschalten in die Predigt. Man kann jetzt hier fröhlich miteinander zu zweit predigen. Hier sind neue Perspektiven möglich, und Sie merken schon: Dass Sie sitzen können liegt daran, dass die Kanzel jetzt da steht. Früher stand man, und dann stand man hier im Kirchenraum, um die Kanzel, die in der Mitte natürlich war, herum.

Die Steinkanzel von 1536, Friedrich Schwalbe hat sie gestiftet, und sie ist nach umfangreicher Restaurierung wieder hier da. Wie gut, dass die Menschen hier in Heldburg die alten Steinreste, die irgendwann brüchig waren, nicht weggeworfen haben, sondern in irgendeine schöne Kammer gelegt. Dann hat man sie wiedergefunden und gestaunt.
Und nun erfahren alle Heldburger und hoffentlich bald auch die Welt: Hier ist die älteste protestantische Kanzel aus Stein, die wir haben. Ist das nicht wundervoll? Und sie erzählt genau von dem, was der Apostel Paulus sagt, nämlich von Gesetz und Evangelium. Wundervolle Bilder.
Können Sie die überhaupt erkennen oder ist das im Hellen, muss man näher ran? Ist nicht so einfach mit dem Licht. Das ist so mit dem Evangelium, man muss manchmal nah herantreten, um es zu erkennen. Sie sehen hier: Das sind Sie, das ist der Mensch, das ist Adam zwischen dem Gesetz, dafür steht Mose und zwischen dem Evangelium, und das ist Johannes der Täufer, der mit dem Finger hier hinweist.
Ich zeige es Ihnen mal, Sie sehen es. Da ist auf einer Tafel Kreuz und Auferstehung, also das ganze Heilsgeschehen dargestellt. Und Sie müssen sich entscheiden, da lang oder hier lang.

Hier ist der Sündenfall, Adam und Eva, ja, also und hier ist die Entscheidung. Das finde ich eine schöne Idee dieser Kanzel, die damals entstanden ist, dass sie euch, liebe Schwestern, Brüder, bis heute und jetzt wieder aufruft: Wohin willst du gehen? Es geht nicht ein bisschen Freiheit oder nur ein bisschen Frieden, das geht nicht, du musst dich entscheiden. Freiheit oder Gesetzlichkeit, Enge, am Ende: Tod steht unten und Gnade.

Das ist die Unterscheidung. Und die Reformation hat diese Scheidelinie wieder aufgebaut. Und du brauchst davor keine Angst haben vor dieser Entscheidung, weil du musst dafür nichts leisten, sondern du brauchst einfach dich nur entscheiden, ja, ich will Gottes Gnade annehmen, ich will ihm nachfolgen, ich will seine Jüngerin, sein Jünger sein, ich will Johannes dem Täufer, der auf Christus zeigt, folgen und diesem Christus nachfolgen.
Das ist der befreiende Glaube an Christus. Bei Christus geht es um die Inhalte, die eine Riesenfülle haben. Wir haben es vorhin in den Seligpreisungen gehört.
Und was da seliggepriesen wird, ist nicht der Erfolg und ist nicht die Schönheit und die Stärke der Mächtigen, sondern selig sind die geistlich Armen, die Leid tragen. Selig sind, die Durst haben nach Gerechtigkeit, die Sanftmütigen, die Friedenstifter, die mit reinem Herzen. Gerechtigkeit und Frieden, Freiheit und Liebe, so wird es konkret.
Und diese Freiheit ist eben nicht beliebig, nicht eine Freiheit von, sondern eine Freiheit zu. Eine Freiheit, die durch die Bindung entsteht. Und ich hoffe, dass ein jeder und eine jede von Ihnen das auch kennt, in der Liebe. Erst wenn Sie sich in der Liebe an jemanden binden, entstehen Freiheiten, die Sie vorher nicht haben. Und manche sagen, man muss dann auch Probleme lösen, die man vorher nicht hatte. Das gehört dann auch dazu.
Aber die Freiheit, die durch Bindung entsteht, die neuen Möglichkeiten des Lebens, die sind mit dem Glauben identisch. Luther wusste, das ist nicht so einfach mit den Tempeln der Freiheit. Denn Ihre Heldburger Kirche ist ein Tempel der Freiheit.
Er lädt ein zur Entscheidung der christlichen Freiheit. Und er hat gesagt, neben jedem Tempel der Freiheit steht immer eine Kneipe des Teufels, der Unfreiheit. Das heißt, immer diese Entscheidung, vor der wir täglich stehen und weswegen er auch in seinen 95 Thesen gesagt hat, das ist nicht eine einmalige Entscheidung, sondern jeden Tag neu.

Jeden Tag neu ist ein Tag der Buße. Musst du den alten Adam und die alte Eva, ersäufen und dich auf den Weg machen zu Christus. Also christliche Freiheit nicht etwas, was da ist, sondern etwas, was immer wieder werden muss.
Christliche Freiheit und christlicher Glauben nicht ein Ist-Zustand, sondern ein Werden. Und das Schöne ist, liebe Schwestern und Brüder, dass – anders als mit unseren körperlichen Kräften (und da kann ich ein Lied von singen, ich hatte gestern den 61. Geburtstag) – die geistlichen immer weiter wachsen können. Und dass es im Alter schwieriger wird, hat damit zu tun, dass es bergauf geht, bergauf zu Christus.

Und das zu ergreifen und schon als junger Mensch zu erkennen, die Bindung an Christus macht mich frei. Denn wie Jesus sagt, ihr wisst, die Herrscher wollen ihre Völker niederhalten und die Mächtigen wollen ihnen Gewalt antun. So soll es nicht sein unter euch. Sondern wer unter euch groß sein will, der sei euer Diener und wer unter euch der Erste sein will, der sei euer Knecht. So wie der Menschen so nicht gekommen ist, dass er sich dienen lasse, sondern dass er diene und gebe sein Leben als Lösegeld für viele. 
Christus hat deine Freiheit teuer erkauft. Die von Christus geschenkte Freiheit ruft uns zum selbstlosen Dienst am nächsten auf.
Sie ruft uns zur Nachfolge des Gekreuzigten, der sich aus lauter Liebe und freiwillig für uns hingegeben hat, damit wir Freiheit erlangen können, frei in Liebe leben und dienen können. Und Paulus lädt nicht nur die Galater, sondern uns heute ein, genau dies zu tun. Du sollst, so steht es in den Geboten, nicht Ehe brechen, nicht töten, nicht stehlen, nicht begehren.
All das wird zusammengefasst und ist zusammengefasst in dem höchsten Gebot. Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst und du sollst Gott lieben. Und darin ist es ein dreifaches Gebot, sich selbst lieben nicht vergessen, aber nicht so, dass der andere aus dem Blick gerät. Den anderen lieben, aber vor allem Gott lieben. Und wenn dieses Dreigestirn zusammen ist, dann trittst du in Gottes Reich, in seine Freiheit und Fülle, in die Seligkeit, die Glückseligkeit ist. Nehmen wir uns die Worte Jesu, nehmen wir uns die Worte des Paulus zu Herzen und überlegen wir, wo und wie wir die christliche evangelische Freiheit heute hier leben können.

Wo Befreiung, Versöhnung und Vergebung, barmherziger und freundlicher Umgang, ein reines Herz im Umgang mit dem Nächsten möglich ist. Wie wir all dies in unserem Leben, im Leben unserer Gemeinde und im Leben unserer Kirche gestalten können. Und wir können dies in den Auseinandersetzungen unserer Zeit tun, um zu leben in der Liebe.
Wir können die Beziehungen gestalten, die manchmal uns zu zerreißen und zu bedrohen scheinen. Wenn wir ihm nachfolgen und uns hier entscheiden, ist Gnade möglich. Das sagt Christus, das sagt Paulus, das sagt Ihnen Ihre wundervolle Kanzel. Und so soll es sein.

Amen. Und der Friede Gottes, der höher ist denn alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus.

Amen.