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13.09.2020
Ansteckendes Himmelsblau

Erinnern Sie sich noch an die unerträgliche Hitze Mitte August? 

Ich bin auf der Rückreise von einem Trauerurlaub bei Freunden aus der Studienzeit. Im ICE 278 vom Schweizer Olten nach Berlin quält mich diese Hitze, wie auch der Staub der Trauer, der noch auf meiner Seele haftet. Im Zug herrscht Maskenpflicht. Alle halten sich dran.

Was macht es mit uns, dass wir schon über Monate hinweg die Gesichter der anderen nicht mehr richtig erkennen können? Man wird sich gleich–gültiger, alle sehen irgendwie ähnlich aus.

Plötzlich sagt eine freundliche Männerstimme neben mir: „Ein Lächeln für Sie. Und dann bitte ihr Ticket! „Ich schaue belustigt auf. Das hat mir noch nie jemand bei einer Fahrscheinkontrolle geschenkt. EIN AUSGESPROCHENES LÄCHELN. Wie mit offenen Händen hingehalten. Wunderbar.

Ich blicke den Schaffner an. Seine Augen blinzeln mir zu. Er trägt ein weißes Hemd und eine himmelblaue Schutzmaske, eine Mischung aus Himmel und Meer. 

Schön, so von oben angelächelt zu werden. Das, so fällt mir ein, meint ja ein uralter Segen aus der Bibel, den sich Juden und Christen wöchentlich zusprechen. Auch ich habe ihn schon hunderte Male anderen zugesprochen.  DER HERR SEGNE DICH UND BEHÜTE DICH, DER HERR LASSE LEUCHTEN SEIN ANGESICHT ÜBER DIR UND SEI DIR GNÄDIG, DER HERR ERHEBE SEIN ANGESICHT AUF DICH UND GEBE DIR FRIEDEN.

So kann man Gottes Segen also auch spüren, dachte ich, durch einen Zugschaffner, der mehr schenkt als er muss. Ein freundliches Gesicht, das auf mich schaut. Eine ansteckende Ermutigung für den Tag. So etwas wünsche ich Ihnen auch. Gabriele Herbst aus Magdeburg.

 


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