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07.02.2018
John Cage

„So ein Blödsinn!“ Da wird in Halberstadt ein Orgelstück von John Cage aufgeführt. Als Anweisung hat er notiert: „Zu spielen so langsam wie möglich.“ Aber wie langsam ist das richtige Tempo? John Cage kann man nicht mehr fragen, der ist schon lange tot.

Irgendjemand hat gemeint: 639 Jahre wären ein guter Zeitraum für diese Komposition.

Das Stück begann erstmal mit einer Pause, die dauerte fast zwei Jahre. In dieser Zeit konnte man nur das monotone Brummen des Blasebalgs hören.

Die Orgel entsteht übrigens erst nach und nach. Immer erst wenn ein neuer Ton auf dem Notenblatt dazukommt, wird die nächste Pfeife eingebaut.

Die Orgel läuft nun schon seit September 2001, aber es gibt tatsächlich bis jetzt nur fünf Pfeifen. Bloß keine Hast! Das Stück dauert ja noch 623 Jahre.

„So ein Blödsinn!“ - habe ich lange gedacht. Aber dann war ich dort. Ein Ton schwebt durch die Burchardi-Kirche. Sonst ist nichts zu hören.
Ringsum an den Kirchenwänden hängen Stiftertafeln. Worte von Leuten, die etwas für diese Orgel gespendet haben. Und seitdem ich das gelesen habe, denke ich anders.

Man kann jeweils ein Aufführungsjahr unterstützen. Mario hat sich für das Jahr 2460 entschieden. Obwohl: Er wird ja nicht dabei sein können.

Auf seiner Stiftertafel steht: „Ich unterstütze dieses Projekt, weil es menschliche Grenzen überwindet und uns über eine Zukunft nachdenken lässt.“

Ist das Blödsinn? Nein. Ich hoffe, nach uns werden auch noch Menschen leben und dankbar an ihre Vorfahren - also an uns denken. Weil wir an sie gedacht haben.

Peter Herrfurth, Landesjugendpfarrer in Magdeburg


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