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28.04.2022
Jom haScho’a

Ich sitze im Linienbus durch Tel Aviv. Punkt zehn heult eine Sirene auf und will sich gar nicht mehr beruhigen. Der Bus hält. Und alle anderen Fahrzeuge neben ihm auch. Fußgänger bleiben stehen. Eine Minute, zwei Minuten. Eine Ewigkeit, wenn alles stehenbleibt, alles schweigt und nur die Sirene heult. 

Wenn man für jeden durch die Nazis ermordeten Menschen eine einzige Schweigeminute einlegte, wäre es viele Jahrzehnte totenstill.  

Nur zwei Minuten heulen die Sirenen jedes Jahr am Jom haScho’a, dem israelischen Gedenktag für die Märtyrer und Helden des Holocaust. Zwei Minuten steht alles still. Aus Respekt für alle Opfer. Und aus Respekt für alle jüdischen Widerstandskämpfer:innen.  

Allein 1,5 Millionen Juden kämpften damals gegen die Nazis: wie der Großvater des ukrainischen Präsidenten Selenskyj als alliierter Soldat oder indem sie Kinder außer Landes gebracht haben oder indem sie die Welt unter Einsatz ihres Lebens auf das Grauen aufmerksam machten. – Widerstand kennt viele Formen.  

Heute ist der Gedenktag für die Märtyrer und Helden des Holocaust. Denn in diesen Tagen jährt sich der Aufstand im Warschauer Ghetto zum 79. Mal. Der Aufstand wurde damals brutal niedergeschlagen. Aber dass Menschen den Widerstand wagten, hatte eine enorme Wirkung. Alle wussten: Deutschlands Mörder-Truppe ist besiegbar. 

Heute um zehn werden in ganz Israel zwei Minuten lang die Sirenen aufheulen. Menschen werden innehalten. Aus Respekt. Und um sich zu erinnern: dass es unser aller Aufgabe ist, gegen das Morden und Verderben aufzustehen. In welcher Form auch immer. 

Conrad Krannich, Reformierte Gemeinde, Magdeburg 


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