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26.06.2019
Mauern

Alle drei Wochen fuhr ich damals mit der Bahn in die Berufsschule nach Berlin, in die Hauptstadt der DDR. Über Güterglück und Potsdam, mit der S-Bahn Richtung Schönhauser Allee. Direkt an der Berliner Mauer entlang – Pardon: dem „antifaschistischen Schutzwall“ wie sie offiziell hieß – die aber doch nichts anderes war als eine hochgerüstete Mauer aus Beton mit Stacheldraht, Wachtürmen, Scheinwerfern, Panzerkreuzen, Soldaten und Schießbefehl – das ganze Programm. Diese Mauer zerteilte Stadt und Land und Menschen.

Damals habe ich nicht geglaubt, dass sie einmal verschwinden würde. Ich träumte davon, dass ich eines Tages als Rentner das tun würde, was ich in einem Psalm gelesen hatte: „Mit meinem Gott springe ich über Mauern.“ Aber geglaubt habe ich es nicht! Ich wusste: Frühestens im Jahr 2031 würde ich die Mauer von der anderen Seite aus sehen dürfen, als Rentner. Das hatte ich mir damals ausgerechnet.

Doch es ist anders gekommen. Die Berliner Mauer ist weg. In diesem Jahr werden es 30 Jahre. Gott und vielen mutigen Menschen sei Dank! Überwunden, abgerissen, entsorgt.

Aber wenn ich heute durch mein Land fahre, sehe ich wieder Mauern. Nicht aus Beton, aber fest wie Beton. Auf der einen Seite die Erfolgreichen, auf der anderen Seite die Benachteiligten. Auf der einen Seite besorgte Bürger mit wütenden Blicken, auf der anderen Seite die, die Geflüchteten helfen. Eine Mauer quer durch die Gesellschaft, manchmal mitten durch die Familien. Da wird man zornig und sprachlos am Kaffeetisch.

Da denke ich an den Psalm: „Mit meinem Gott springe ich über Mauern.“

Ja, die Mauer muss weg. In den Köpfen und zwischen uns Menschen.

Es geht. Es ging schon einmal. Wenn wir es wollen. Mit Gottes Hilfe.

 

Peter Herrfurth, Landesjugendpfarrer in Magdeburg


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