Ich weiß, wo in Halle die Mühlpforte und der Mühlberg sind, und Müllers kenne ich zuhauf. Aber eine Mühle habe ich noch nie in Betrieb gesehen, und einen echten Müller, also den Handwerker, kenne ich keinen mehr.

Dabei komme ich aus einer Müller-Familie. Meine Urgroßeltern hatten eine große Mühle am Ruppiner See. Und die Kindheitserinnerungen meiner Oma kreisten um die Mühle nebenan: wie sie als Kinder heimlich über den Mühlenboden tobten und ins Mehlsack-Lager plumpsten, wie sie in der Mühlentischlerei ihre Spielsachen reparieren ließen, wie Kindermädchen Berta sie einmal auf die große Mühlenwaage stellte und zum Entsetzen aller hatte sie wieder nicht zugenommen. – Die Mühlenerinnerungen meiner Großmutter, viel mehr weiß ich nicht. Sie? Wahrscheinlich gehört das zu einer reichen Gesellschaft dazu: Vieles, was so elementar ist für unser Überleben, wird unsichtbar, weil es auf einmal selbstverständlich geschieht.

Was man heute noch häufig sieht, auf alten Höfen oder vor stillgelegten Mühlen, das sind Mühlsteine – große runde Steine mit Loch. Manche sind richtig alt. Der erste abgeschliffenen Mühlstein, der wurde nämlich nie weggeworfen. Man stellte ihn auf, aus Respekt. Ohne Mühlstein kein Mahlen, kein Mehl, kein Brot – der Mühlstein ist das Herz der Mühle, fast wie ein Organ, ein lebenswichtiges. Viele Erinnerungen hängen daran, wie die von meiner Oma und der Mühle nebenan.

Heute am Mühlentag sehe ich den Mühlstein und danke Gott: für alle Menschen, durch deren Erfindergeist und Arbeit ich jeden Morgen Mehl im Markt und Brot auf dem Tisch habe. Danke, dass ich den Hunger nie kennenlernen musste. Und bitte, Gott, segne die Müller in unserem Land.

Conrad Krannich aus Halle