Mut zum Bekennen
Zu den eindrücklichen Geschichten von Wolf Biermann gehört eine Erfahrung, die er 1953 als Jugendlicher machte, als er in das besser geglaubte Deutschland umzog und in Gadebusch in der Schule Zeuge eines Schauprozesses wurde. In stalinistischer Manier sollten 20 Mitglieder der christlichen Jungen Gemeinde ihren Austritt aus der Kirche erklären, was die Allermeisten unter dem Druck der Lehrer und unter Androhung öffentlicher Bloßstellung auch taten. Aber ein Mädchen weigerte sich und sagte: „Ich glaube an Gott und ich trete nicht aus der evangelischen Kirche aus.“ Daraufhin wurde sie von der FDJ-Sekretärin niedergebrüllt, und zum ersten Mal erhob Biermann seine Stimme und sagte: „Ich bin Kommunist, ich bin gegen die Kirche, ich weiß, dass Religion Opium für das Volk ist, aber das, was ihr hier gemacht habt, ist kein Kommunismus. Dafür ist mein Vater nicht im KZ gestorben!“
Biermann hat damit einem Mädchen eine Stimme gegeben. Ja, es waren oft wenige, die, wie dieses Mädchen, dem Druck der FDJ und der Schulleitungen widerstanden, und sich zum Glauben bekannten. Das ist nicht verwunderlich, denn auch Christen sind oft gar nicht so mutig, sondern suchen einen Weg, um mit der Situation so umzugehen, damit ein Weiterleben, ein Weiterdenken, ein Weiterarbeiten möglich ist. Mutig seinen Glauben bekennen will eingeübt sein, und alleine zu bekennen ist schwer, wenn der Druck von außen groß ist.
Umso überraschter und dankbarer bin ich für die Jugendlichen, die in die Kirche kommen, sich taufen lassen, und heute, wo solche Auseinandersetzungen keine Rolle mehr spielen, sich zu Jesus Christus bekennen und sagen: „Ja, ich trage die Konsequenzen und ich möchte gern als Christ mit euch zusammenleben.“ So wie der Schüler Tung, den ich kürzlich im Dom taufen durfte.
Johann Schneider, Regionalbischof aus Halle