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05.02.2023
Urlaub

Heute ist Sonntag. Sonntag ist für viele wie ein kleiner Urlaub. Was, wenn es keinen Urlaub gibt? Weil Krieg ist und die Väter kämpfen; und die Söhne und die Ehemänner auch; und kein Ort sicher ist?

Alina ist zurückgekehrt nach Kiew. Denn vor den russischen Raketen ist schon lange nichts mehr sicher, egal wo. In Lwiw im Westen hat sie es nicht länger ausgehalten, zu stark war die Sehnsucht nach der Heimatstadt. Sie arbeite viel, sagt sie, mehr als vor dem Krieg. Wenn sie nicht arbeitet, geht sie raus, geht spazieren. Vorbei an dem Wohnblock, in dem sie vor zwei Monaten noch Geburtstag gefeiert haben. In dem klafft jetzt ein Loch wie der Biss eines Raubtieres, das sich gierig ins Lebensglück der anderen frisst.

Abends trifft sich Alina mit Freundinnen im Café. »Im Café?« »Natürlich, im Café«, sagt sie. »Die Menschen hier wollen das Leben spüren, verstehen Sie?« Der Moderator versteht nicht. Ich auch nicht. Wie auch, als einer, der den Krieg nicht kennt. Aber dass die Sehnsucht nach Leben auch noch am Abgrund stark ist, das verstehe ich.

Alle sechs Tage ruft Vlad, Alinas Freund, sie an. Vlad kämpft im Osten. Urlaub ist für ihn, wenn er ein paar Stunden von der Front weggefahren wird, um zu telefonieren. Dann sprechen sie, meist über ganz alltägliche Dinge: ob sie es warm hat; wie seine Verpflegung ist; wo sie Urlaub machen, wenn das alles vorbei ist. Leben spüren eben, und nicht den Schmerz. Manchmal scherzen sie und lachen. Dieses Lachen – darin steckt das ganze Leben und der ganze Tod.

Dass Sie diesen Sonntag genießen können und den Frieden, wünscht Conrad Krannich aus Halle


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