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24.04.2022
Wie die neugeborenen Kinder

Alma, drei Jahre, erklärt mir in zwei Sätzen den Krieg. Und den Frieden. »Ein Land ist böse auf das andere«, sagt sie über Russlands Überfall der Ukraine. »Aber vielleicht vertragen sie sich und werden wieder Freunde.«  

Kindermund … Schön naiv. Und irgendwie auch nicht. Möglich ist das. Denn möglich war das. Bei uns. Vor hundert Jahren sprachen gar nicht wenige vom Erbfeind Frankreich, als sei es ein Naturgesetz, dass Deutsche und Franzosen einander hassen. »Jeder Stoß ein Franzos‘«, geiferten sie hierzulande. Und Franzosen schimpften die Deutschen »Barbaren«. Das war nicht naiv, sondern dämlich. Und tödlich. Es war einmal.  

Die Herzen zu entgiften und das Gerede von der Erbfeindschaft wieder aus den Köpfen zu kriegen, das ging dann erstaunlich gut. Eine neue Generation, aufgewachsen in den Trümmern der elterlichen Feindbilder, verstand das Gefasel von Freund und Feind nicht mehr. Wollte es nicht mehr verstehen.  

Jeder Sonntag hat einen Namen, der heutige heißt »Quasimodogeniti«, zu deutsch »Wie die neugeborenen«. »Wie die neugeborenen Kinder nach Milch schreien, sollt ihr nach dem echten Wort verlangen«, schreibt einer in der Bibel. Das »echte Wort«, von dem er spricht, sei frei von Bosheit und Betrug, von Heuchelei und Neid und übler Nachrede. (1. Petr 2,1) Denn damit zieht man kein Kind groß.  

Wer von echten Worten ernährt und nicht mit Gift gefüttert wird, dem fällt es wahrscheinlich so leicht wie Alma, damit zu rechnen, dass aus Feinden Freunde werden.  

Conrad Krannich, Reformierte Gemeinde, Magdeburg 


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