Achtung, Bettler
Ich stehe in Kassel, Bahnhof Wilhelmshöhe, und warte auf den Zug. Und plötzlich die Durchsage: „Achtung, am Bahnhof sind Bettelgruppen unterwegs, seien Sie besonders aufmerksam.“ Ich merke davon nichts. Aber wie ist das gemeint? Manchmal wird gewarnt vor Dieben. Dann heißt es: Behalten Sie ihre Sachen im Auge, vorrangig die sieben. Aber hier: Jemand bettelt, na und? Gerade habe ich mir ein völlig überteuertes belegtes Brötchen gekauft, dazu einen Kaffee. Was wäre da ein Euro! Da sind Menschen auf Bahnhöfen unterwegs, die würden sich auch gern abends noch ein Brötchen kaufen, notfalls ein trockenes, damit sie sich nicht hungrig in irgendeinem Hauseingang schlafen legen müssen.
Für das Christentum ist das Almosengeben eigentlich ganz selbstverständlich: Wer Almosen gibt, soll die linke Hand nicht wissen lassen, was die rechte tut. Gott vergelt‘s. Und für den Islam ist Almosen zu geben, sogar eine der fünf unverzichtbaren Säulen, eine Pflicht. Und auch da heißt es, mach kein Aufhebens drum und erinnere nie jemanden daran, dass er deine Gabe nötig hat. Gott vergelt’s.
Hören wir noch einmal die Durchsage, die ich gehört habe: „Achtung, am Bahnhof sind Bettelgruppen unterwegs, seien sie besonders aufmerksam.“ Und käme da dahinter ein „Gott vergelt’s“, dann würde sich das nicht anhören, als würde Bahn Bettler am liebsten aufs Abstellgleis schieben, sondern ganz anders: „Achtung, am Bahnhof sind Bettelgruppen unterwegs, seien sie besonders aufmerksam. Gott vergelt’s.“
Eine Bahn mit Herz wünscht sich Ralf-Uwe Beck, evangelisch und aus Eisenach.