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15.08.2022
Armut ist keine Straftat

Eigentlich war er nur mal wieder schwarzgefahren. Zack, erwischt. Anzeige. Urteil. Geldstrafe. Aber er hat nichts. Er lebt doch halb auf der Straße. Sein bester Kumpel ist der Alkohol. Zahlen oder in den Knast einfahren, heißt es. Und ehe er richtig nachdenkt, nachdenken ist so schwierig mit Alkohol im Blut, steht die Polizei vor dem Haus und holt ihn ab. In der Justizvollzugsanstalt muss er alles abgeben, wird eingecheckt, bekommt eine Zelle. Ab jetzt ist er ein Knasti. Seine Ex-Frau? Bei der hat er nun absolut keine Chance mehr. Seine Tochter? Dass er sie wieder sieht, werden wohl alle verhindern. Seine Eltern? Wenden sich ab. Wer steht jetzt noch zu ihm? Nicht einmal der Alkohol, an den kommt er so schnell nicht mehr ran. Am nächsten Morgen wird er tot in seiner Zelle gefunden.

Der Fall geht durch ein paar kleinere Medien. Sie diskutieren, ob er sich das Leben genommen hat, weil er arm ist. Denn in Deutschland habe einer, der kein Geld hat, auch hier schlechte Chancen. Die Spirale gehe nur abwärts. Andere sagen, er hätte ja nicht schwarzfahren müssen. Worauf wieder andere abwinken und meinen: So viel Geld, wie es kostet, einen Schwarzfahrer ausfindig zu machen, zu verurteilen und im Knast durchzufüttern – das bringt doch niemandem was, das kostet nur, und zwar der Gesellschaft. Das solle man sein lassen.

Ich finde: Armut ist keine Straftat. Da müssen wir erfindungsreich werden. Das Gesetz darf niemanden schlecht stellen, nur weil er kein Geld hat.

Und: Frieden seiner Seele! Und seiner Familie.

Ulrike Greim, Weimar, Evangelische Kirche.


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