Augenblick mal, MDR, Radio, Radio-Andacht, Radio-Andachten, Radioandacht, Radioandachten,

09.06.2020
Auf hoher See

Meine Freundin U. ist Schauspielerin. Seit dem Lockdown trudelt eine Absage nach der anderen in ihr Postfach. Und dann: die große Stille. Nichts. Keine Anfrage, kein Engagement, nicht einmal eine vage Aussicht auf einen bezahlten Auftrag. Bis nach dem Sommer. Phu. Hammerhart.

Wir gehen spazieren. Der Himmel ist weit, die Sonne warm.

Sie sagt, dass sie gerade niederländisch lernt. Online. „Koffie verkeerd“ ist Milchkaffe. Klingt witzig, was?! Ja.

Und sie lernt Gebärdensprache. Ihre Hände wirbeln durch die Luft, sie sagt „Hallo“ und „wie geht es dir“ und „Können Sie bitte langsamer reden“.

Ich finde sie tapfer. Und weiß, wie sehr sie rechnet, wie lange ihr Konto das alles mitmacht. Sie überlegt, umzusatteln.

Das Blöde an solchen Krisenzeiten ist, dass man nicht weiß, ob es gut geht, ob irgendetwas Sinnvolles dabei herauskommt. Aber das kann man vorher nicht wissen. Die Dinge entwickeln sich. Sie hofft, dass alles schnell wieder normal wird. Ich bezweifele das.

Hab keine Angst davor, dass sich in deinem Leben etwas ändert, sag ich ihr vorsichtig.

Du bist so lebenslustig und wissensdurstig und so begabt. Da geht doch was.

Ich weiß, ich hab‘ gut reden. Mein Gehalt läuft weiter. Aber auch ich weiß nichts über meine Zukunft. Keiner weiß es. Wir haben nur die Illusion, wir wüssten es.

Dabei sind wir immer auf hoher See. Unser Leben liegt in Gottes Hand. Und der Höchste ist unverfügbar. Also: Ja, es bleibt unsicher. Und: Besser wird’s nicht. Aber wir atmen, weil Gott es will. Also können wir etwas tun.

 

Weiß Ulrike Greim, Weimar.


Bleiben Sie mit unseren Newslettern auf dem Laufenden.

Hier Abonnieren

Die besten News per E-Mail - 1x pro Monat - Jederzeit kündbar