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21.05.2022
Beispiellos oder beispielhaft

Kein Mensch kann wochen- oder monatelang mit derselben Aufmerksamkeit, demselben Mitgefühl, demselben Zorn aus der Ferne wahrnehmen, was da passiert – in der Ukraine. Mit wahrnehmen meine ich, das, wovon ich erfahre, in mich einzulassen, so dass Nachrichten mich wirklich bewegen, mir schon mal die Tränen in die Augen treiben. Das meine ich mit: wahrnehmen.

Können wir über die Ukraine hinaus überhaupt noch mehr wahrnehmen? Wie steht es um Afghanistan? Was ist mit dem Krieg in Syrien? War da überhaupt einer, ach ja, doch, da war was, vor zehn Jahren fing das an. Aber was da jetzt abgeht, keine Ahnung. Was ist mit dem Krieg im Jemen? Hat er seine Schrecken verloren? Bestimmt nicht. Nur beansprucht der Krieg gegen die Ukraine eben unsere ganze Aufmerksamkeit. Mehr ertragen wir nicht.

Aber uns begegnen Menschen. Aus der Ukraine fliehen viele hierher. Wir nehmen sie auf. Die Warmherzigkeit ist beispiellos. Es ist großartig, dass sie uns vertrauen, auf uns vertrauen können, und nicht enttäuscht werden. Aber warum ist das beispiellos? Warum ist es nicht beispielhaft für die Aufmerksamkeit, die alle Flüchtlinge aus allen Kriegen verdienen, auch die aus Afghanistan, aus Syrien, aus dem Jemen, dem Irak. Oder messen wir mit zweierlei Maß? Aber die Nächstenliebe hat nur ein Maß: den Menschen, egal wo er herkommt, egal wie er aussieht, ob er unserer Kultur näher oder ferner ist, ob er uns fremder oder vertrauter ist. Er verdient, dass wir ihn wahrnehmen.

Einen guten Tag wünscht Ralf-Uwe Beck, evangelisch und aus Eisenach.


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