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31.03.2017
Das steinerne Herz

Es war alles ins Stocken geraten. Der stämmige Kerl sitzt eingesunken auf seinem Sessel. 62 und in Rente. Das war’s wohl. Wer kann ihn jetzt noch gebrauchen. Sein Leben lang hat er gern gearbeitet. Die kleine Elektrofirma hat ihn gut ernährt. Aber jetzt: Herz. Rücken. Langeweile. Die Kinder sind weit weg und wollen nicht viel mit ihm zu tun haben. Die Frau war an Krebs gestorben. Fußball geht nicht mehr richtig gut. Bei der Feuerwehr ist auch nicht mehr viel los. Er sitzt und grübelt. Schaut fern und geht in den Hobbykeller. Das war’s wohl. Jetzt kommt nichts mehr.
Einziger Lichtblick der Woche: die Physiotherapie. Die immer fröhliche Frau. Viel jünger als er dürfte sie nicht sein. Sie kann zupacken – au wei! Aber bei ihr fühlt er sich wohl. Redet sich den Ballast von der Seele.
Alles zu Ende? Sie lacht. Eine Zäsur - ja. Aber jetzt könne er ja ein neues Kapitel aufschlagen. Er sei doch noch fit. Und die paar Zipperlein machen ihn nicht zum Krüppel.
Doch – so fühlte er sich. Wie eingezwängt. Hatte ja auch genug erlebt. Hat Mist gebaut. Hat auch viel einstecken müssen. Hat das Herz zugemacht. Da ist es fest geworden.
Wie er so auf ihrer Pritsche liegt, knetet sie seine Muskeln weich - und sein Herz. Ihre warmen Hände geben ihm Energie. Bis das Herz wieder anfängt zu pochen.
Und ob er noch will! Er will doch leben! Etwas schaffen.
„Ich will euch das steinerne Herz nehmen,“ spricht Gott, „und euch ein lebendiges Herz geben. Neuen Rhythmus, eine neue Haltung, frischen Wind.“
Eines Tages will er mit ihr Radfahren. An der Saale. Da kann noch was werden.
Ulrike Greim, Weimar, Evangelische Kirche.


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