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21.11.2020
Das ungetragene Kleid

Seine Frau habe Salzburg sehr geliebt, erzählt mir ein Mann, mit dem ich im Zug ins Gespräch komme. Oft sind sie am Wochenende von Bayern aus dorthin gefahren, war nicht so weit. Einfach ausspannen und ausgehen. Einmal sei er mit ihr bei einem Spaziergang zu Hause an ihrem Lieblingsgeschäft vorbeigekommen. Im Schaufenster hing ein richtig schickes Kleid. Sie sei stehen geblieben, hätte es sich angeschaut, bestaunt ... und er habe gleich gesagt: „Na, dann kauf’ es Dir doch, wenn es Dir so gut gefällt, und wenn wir wieder in Salzburg sind, kannst Du es tragen.“ – „Ach nein, das ist zu gut für mich, es ist doch zu teuer, es muss ja auch nicht sein. “

Wieder zu Hause hat er sofort kehrt gemacht, ist allein zurück zu dem Geschäft. Die Verkäuferin kannte seine Frau und deren Kleidergröße – etwas, was Männer sich ja nie merken können. Er also kauft das Kleid und schenkt es seiner Frau.

„Zieh es doch mal an“, wie oft er das zu ihr gesagt hat, wenn sie in Salzburg waren. „Aber nein, das Kleid ist viel zu gut, viel zu teuer“, hat sie ebenso oft erwidert, „ein andermal, wenn ich mich wirklich schick machen muss.“

Seine Frau war sehr krank, hatte schweres Asthma. Vor 20 Jahren sei sie gestorben, so lange sei er schon allein. Das Kleid, sagt er, habe sie dann doch einmal getragen. Er selbst hat es ihr angezogen – für ihren letzten Gang. Das erzählt er mir mit Tränen in den Augen. Dann reden wir und lachen auch wieder, weil es keinen Aufschub duldet, das Leben zu leben.

Alles Gute wünscht Ralf-Uwe Beck, evangelisch und aus Eisenach.


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