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19.12.2019
Der hässliche Pulli

Ein Weihnachtsmann zum Abgewöhnen: Seine Nase zu groß, der Mund ist schief, sein Gesichtsausdruck dümmlich; neben ihm erbricht sich ein Rentier. Das alles spielt sich vorne auf dem Pullover ab, den ich beim Wichteln gewonnen habe. Ein zweifelhaftes Glück. Made in Bangladesch.
Jeder dieser hässlichen Weihnachtspullis ist einer zu viel. Ich frage mich, was die Leute in der Fabrik in Bangladesch gedacht haben. Ob einer von ihnen aufgestanden ist und gesagt hat: „Nein, so etwas Krankes werde ich nicht stricken! Sind diese Pullover nicht für Thüringen bestimmt, das Land von Bach und Goethe?“
Komme ich eines Tages nach Bangladesch, werde ich mich entschuldigen.
Ich soll es mit Humor nehmen, sagt man mir. Der Pulli, der wäre ja ein Symbol für Liebe und Zusammenhalt in der Familie. Weil die Omas, die hätten doch früher immer hässliches Selbstgestricktes zum Fest verschenkt. Das hätte man sich dann augenzwinkernd übergezogen, weil man die Oma ja lieb hatte und zum Fest war man sowieso unter sich.
Gerade deshalb denke ich aber jedes Mal etwas ganz anderes, wenn mir einer mit so einem hässlichen Weihnachtspulli begegnet. Ich denke: Nein, du hast eben keine Oma, die für dich strickt. Dein Pullover steht nur für Leere. Du sehnst dich nach etwas, das du nicht hast, und du versuchst es zu ersetzen durch ein Wegwerfprodukt. Und das finde ich eher zum Weinen als zum Lachen. Hoffentlich irrt sich Gregor Heidbrink, Pfarrer aus Apolda.


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