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22.07.2022
Der Hahn kräht nicht mehr

Wo ein Hahn kräht, sind die Hühner nicht weit. Und wo Hühner sind, gibt s frische Eier. Und das mitten in der Stadt, na ja, am Stadtrand. Ich liebe es, den Hahn krähen zu hören. Mich erinnert das an meine Kindheit auf dem Dorf, eine Zeit, in der die Welt noch in Ordnung schien. Aber der Hahn kräht nicht mehr. Also gehe ich bei Gelegenheit bei dem Mann mit den Hühnern vorbei. Und über den Gartenzaun erzählt er mir, dass er den Hahn weggebracht hat. Ein Anwohner hatte sich beschwert, mit Anwalt und Gericht gedroht. Er fühlte sich gestört. Die Hühner sind nicht wiederzuerkennen, sagt der Mann, sie legen keine Eier mehr. Sie sehnen sich nach ihrem Hahn. Ich kann dem Hahn ja nicht sagen, er soll nicht krähen, sagt er.

Was empfinden wir als Lärm, was ist uns Stille? Manche Katze faucht in der Nacht, irgendwo schlägt ein Hund an, der Hahn kräht, wenn die Sonne aufgeht, die Vögel singen – aber da ist nichts zu machen. Dieser Krach lässt sich nicht abstellen. Für die meisten Menschen ist das auch gar kein Lärm, sondern sind es heimelige Geräusche. Vielleicht weil wir uns mit ihnen geborgen fühlen als Teil der Natur, als Teil von Gottes Schöpfung, in der alles zusammen und wir dazugehören.

Ohne den Hahn wirkt es wie eine Grabesruhe. Jetzt geht mir auf, dass ich ihn nur gehört habe, wenn sonst kein Rasenmäher, keine Kreissäge, kein überflüssiger Laubbläser zu hören war. Ich habe ihn gehört, und mir wurde die wohltuende Stille erst bewusst. Ich würde ihn gern wieder hören,

wünscht sich Ralf-Uwe Beck, evangelisch und aus Eisenach.


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