Deutsche Einheit
Es wächst zusammen, was zusammengehört. Sagte Willy Brandt einen Tag nach dem Mauerfall. Und, sind wir zusammengewachsen? Die einen sagen so, die anderen so. Woran merken wir das? Daran, was wir voneinander wissen und daran, was wir voneinander wissen wollen.
Vor einem Jahr wurde 75 Jahre Grundgesetz gefeiert. Auf der Internetseite der Bundesregierung stand: „Seit dem 23. Mai 1949 regelt das Grundgesetz unser Zusammenleben. 75 Jahre Freiheit, Frieden und Demokratie in Deutschland – eine Erfolgsgeschichte.“ Hä, und wir Ossis? Unser Zusammenleben regelt das Grundgesetz erst seit 35 Jahren, da fehlen 40. Da ist zwar die Mauer gefallen, aber nicht der Groschen.
Aber fassen wir uns mal an der eigenen Nase und rütteln an all den anderen Mauern, die wir in den Köpfen haben: Was wissen wir Männer davon, wie sich Frauen fühlen, wenn sie angemacht werden oder weniger verdienen? Was wissen wir von den zehn Millionen Menschen, die arbeiten und Steuern zahlen, aber nicht wählen dürfen? Was wissen Christen von Muslimen – und umgekehrt? Was wissen wir davon, wie Menschen, die im Rollstuhl sitzen oder die sehbehindert sind, durch den Alltag kommen? Was wissen die, die gegen eine Vermögenssteuer sind, von denen, die von Bürgergeld leben müssen?
Wenn wir wollen, dass die Mauern in den Köpfen fallen, dass zusammenwächst, was zusammengehört, Männer und Frauen, Arm und Reich, Menschen mit Handicap und ohne, Ausländer und Einheimische, Ossis und Wessis … dann sollten wir uns interessieren. Jeder kann mittun, dass Mauern fallen.
Einen nachdenklichen Feiertag wünscht Ralf-Uwe Beck, evangelisch und aus Eisenach.