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26.07.2023
Die im Dunkeln

Ich habe eine Skibrille, die meine Kinder nicht mehr brauchen, bei ebay eingestellt, um sie zu verkaufen. Besser als wegschmeißen. Nicht lange und es meldet sich per SMS eine Frau: Ich bräuchte das Teil nicht verschicken, sie wäre morgen am Bahnhof Eisenach, würde Richtung Erfurt fahren. Ah, sie pendelt – wie ich hin und wieder. Ach, das trifft sich gut, schreibe ich zurück, wann denn, wir können zusammen fahren, ich bin, was die Uhrzeit angeht, flexibel. Darauf sie: Das wird nichts. – Äh, wieso? Ich simse nochmal: Es macht mir keine Mühe, wenn ich weiß, wann Sie fahren … – Darauf sie: Das geht nicht, ich bin die Lokführerin. Herrlich. Das heißt, wir haben für die Übergabe zwei Minuten. Okay: Ankunft, Bahnsteig? Der Zug kommt, ich renne vor zur Lok. Da geht an der Seite eine Tür auf und da ist sie, eine ganz junge Frau. Ich gebe ihr die Brille, sie mir die paar Euro. Sie ruft noch „Danke“ und ich „Viel Spaß damit, grüßen Sie ihre Kinder“. Und schon fährt der Zug wieder an.

Ich fahre viel Zug, und seitdem frage ich mich, wer da heute in der Lok sitzt und diese Verantwortung trägt. „Die einen sind im Dunkeln. Und die anderen sind im Licht. Und man sieht nur die im Lichte, die im Dunkeln sieht man nicht“, so gehen die Verse aus Brechts Dreigroschenoper. Sind nicht überall Menschen, auf die wir angewiesen sind, die wir aber gar nicht sehen? Gar nicht sehen können. Oder gar nicht sehen wollen? Das hängt an unserer Aufmerksamkeit, findet

Ralf-Uwe Beck, evangelisch und aus Eisenach.


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