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07.04.2023
Dürre Worte

Sie hat lange dagesessen und nachgedacht, mehrere Versuche geschrieben, zerknüllt und weggeworfen. Sie musste einfach der Kollegin schreiben. Der Chef hatte gesagt: ‚Ihr lasst die Kollegin jetzt erst einmal in Ruhe.‘ Aber sie glaubte, dass der Chef schlicht Schiss hatte.

Was soll man auch einer Kollegin schreiben, die ihr Kind verloren hat – durch einen fürchterlichen Unfall?

Aber in solchen Tagen darf man nicht schweigen. Selbst wenn es keine berauschenden Worte werden würden – sie wollte zeigen: ‚Wir sind für dich da. Wir denken an dich. Wir fühlen mit dir. Wenn es irgendetwas gibt: Melde dich. Wir alle helfen dir mehr als gern.‘

Es wurde eine Karte. Dürre Worte. Aber mit sehr viel Herz geschrieben.

Es kam ihr so dürftig vor. Man braucht doch da ganz andere Worte, dachte sie. Da braucht man etwas, das einem über dem Abgrund hält, dass man nicht fällt und fällt. Worte wie Stahlseile bräuchte man eigentlich!

Sie hat den Brief eingeworfen und ist in die Kirche gegangen. Da könne man Kerzen aufstellen, hieß es. Am Eingang stand ein kleines Schild: Hier ist Weinen erlaubt. Da schossen ihr sofort die Tränen.

Sie hat ein Teelicht angezündet und zu den vielen anderen gestellt. Und leise gebetet.

Dann hat sie sich hingesetzt und nach vorn geschaut. Jesus am Kreuz.

Ein leidender Jesus.

Er muss es verstehen.

Jesus, hilf uns. Hilf den Familien, die jetzt in schwerer Trauer sind.

Lange Stille.

Dann atmete sie auf.

Ulrike Greim, Weimar, Evangelische Kirche.


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