Entlein
Zu groß, zu plump, zu unbeholfen. So war es, „das hässliche Entlein“. Sie kennen die Geschichte? In meiner Erinnerung sehe ich mich weinen, als ich das Märchen von Hans Christian Andersen als Kind gelesen habe. Weil das Entlein mir so leidgetan hat. Dass die Entenmutter das Ei eines Schwans ausgebrütet hat, wurde leider sehr spät bemerkt. Bis dahin hatte der graue plustrige Piepmatz maximales Mobbing in Familie und Gesellschaft erlebt.
Ausgrenzung und Diskriminierung, das sind leider keine Märchen von gestern.
Aus anderem Holz geschnitzt sein als die andern. Immer wieder zu spüren bekommen, dass man draußen steht. Aufgrund seines Aussehens oder Verhaltens. Aufgrund seiner Herkunft.
Hans Christian Andersen weiß von der Sehnsucht zu erzählen, dazuzugehören. Und vom Wunsch nach Würde. Vor 150 Jahren ist er gestorben. Schaut man in seine Biografie, erkennt man schnell, dass er einige Erfahrungen seiner Protagonisten selbst hat machen müssen. Verarbeitet hat er’s im Schreiben.
So traf er auf Reisen einmal in Leipzig auf Clara Schumann, die gefeierte Pianistin. Sie schrieb danach über ihn, er sei „der hässlichste Mann, den es nur geben kann“. Aber, so ergänzt sie, "geistvoll".
Ja so ist das mit der Diskrepanz zwischen äußerem Schein und innerem Reichtum. Zwischen dem, was die Leute auf den ersten Blick sehen, und dem, wer du wirklich bist. „Ein Mensch sieht, was vor Augen ist; Gott aber sieht das Herz an.“ (1.Samuel 16,7) So sagt’s die Bibel.
So mancher kann wohl auch sein eigenes Entlein-Lied singen. All denen wünsche ich, dass sie sich mit Gottes Augen sehen können, und Menschen, die ihr Herz erkennen: Du bist gut, so wie Du bist. Du bist schön und wertvoll!
Juliane Baumann, evangelisch, aus Erfurt.