Erntedank
Heute feiern die ersten Gemeinden ihr Erntedankfest. In den Kirchen werden Kürbisse, Kartoffeln, ein paar Getreideähren, hier auch Trauben, da Zwetschgen – und in diesem Jahr ganz sicher: Äpfel – neben oder auf den Altar gelegt. Und im Gottesdienst Danklieder angestimmt. Das ist Tradition. Nett und – naiv?
Denn es ist doch paradox:
Ich bekomme alles geliefert, was ich bestelle, aber ich weiß nicht, wie es dem geht,
der das Feld bestellt, auf dem es wächst – hier oder irgendwo.
Die Regale in den Supermärkten sind voll, aber die Tafeln haben Mühe, die satt zu bekommen,
die sich bei ihnen anstellen.
Es ist modern, Bilder von vollen Tellern zu teilen,
aber wir bekommen es immer weniger hin, gemeinsam zu essen.
Wir jammern, wie teuer alles geworden ist, aber jede und jeder von uns
wirft im Jahr immer noch 75 Kilogramm Lebensmittel weg.
Wir essen immer schneller, aber verdauen immer langsamer.
Das Auge isst mit, sagen wir, aber wir essen vor dem Bildschirm.
Und dann feiern wir einmal im Jahr Erntedank. Ist das nicht paradox?
Einst wurde bei jeder Mahlzeit gebetet: Herr hab Dank für das, was Du uns aus Gnaden zugewandt.
Bevor der Löffel in die Suppe taucht, sich klarzumachen, dass es nicht selbstverständlich ist,
dass da Suppe aufgeschöpft werden kann.
So achtlos wir manchmal mit Lebensmitteln umgehen, so paradox wäre es, nicht doch einmal Jahr zu sagen:
Gott sei Dank für das, was wir auf dem Tisch haben.
Und das schließt den Dank an Mutter Erde und all jene ein, die säen und ernten mit ein.
Feiern wir also Erntedank – aus ganzem Herzen und mit einem Kopf, der nicht nur dazu da ist,
etwas hineinzuschieben.
Einen schönen Sonntag wünscht
Ralf-Uwe Beck, evangelisch und aus Eisenach.