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02.02.2019
Erst das Wichtige

Sie sitzt an seinem Bett auf der Intensivstation. Er hat die Augen geschlossen. Apparate piepen bei jedem Herzschlag. Eine Maschine atmet für ihn. Seine Frau hält seine Hand.

Tränen rollen über ihre Wange, sie will sie runterschlucken, aber es klappt nicht. Das soll es gewesen sein, Gott? Du reißt ihn mitten aus dem Leben? Wer soll das verstehen?!

Es ist eine Vollbremsung für den schnellfahrenden Zug. Jetzt nur noch wenige Stunden?

Daran denkt man doch nicht. Man lebt doch so, wie immer. Steht morgens auf, trinkt die Tasse Kaffee, checkt schnell noch die Nachrichten, ein flüchtiger Kuss, dann Tasche schnappen und los. Und nun: Stille. Rhythmisches Piepsen.

Sie lehnt sich zurück und schaut aus dem Fenster. Hätte sie etwas anders machen sollen? Was würde sie ihm sagen, wenn er noch einmal kurz aufwacht?

Was er ihr bedeutet. Und wie sehr ihr Leben mit seinem verwoben ist. Und wie gut das ist.

Nicht mehr warten, schießt es ihr durch den Kopf. Mit den wichtigen Dingen nicht warten. Erst das Wichtige, dann das Dringende.

Leise flüstert sie in sein Ohr. Und erträgt die Stille.

Es kommt die Beerdigung. Die schwere Zeit danach. Viele Tränen. Und später: eine leise Hoffnung, dass es weitergeht.

Gott hält ihn in seiner Hand. Aber er hält eben auch sie. Im Hier und im Jetzt. Es ist also Gelegenheit, um das Wichtige anzupacken.

Ulrike Greim, Weimar


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