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15.01.2022
Hätte, hätte, Menschenkette

Da steht sie also abends in der Dämmerung vor ihrer alten Schule. Zwischen den Jahren ist sie hierher gefahren, neugierig, ob es die Schule überhaupt noch gibt – nach 20 Jahren. Natürlich ist die Tür verschlossen, aber durch die Glasfront kann sie hineinsehen. Hier also hat sie ihr Abitur nachgeholt, längst war sie von zu Hause weggezogen. Vormittags Schule, abends Job. Sie hat sich durchgebissen.

Und als sie da so ihren Erinnerungen nachhängt, das Gesicht der Lehrerin heraufbeschwört, die ihr so viel beigebracht hat, sieht sie, dass doch jemand in der Schule ist. Ein älterer Mann, bestimmt der Hausmeister. Er sieht sie und kommt auf die Glastür zu. Da dreht sie sich um und geht weg. Wer weiß … und wie hätte sie erklären sollen, was sie da will.

Auf dem Weg nach Hause denkt sie: schade, schade eigentlich. Vielleicht wäre er gar nicht sauer gewesen, hätte sie vielleicht für einen Moment hinein gelassen. Sie hätte nach den Lehrern fragen, einen Gruß ausrichten können. Und er hätte zu Hause etwas zu erzählen gehabt. Hätte, hätte Fahrradkette.

Ach, Menschenskind, wenn sich zwei Menschen zufällig und freundlich begegnen, könnte das doch so sein, als ginge man an einer Bretterwand vorbei, entdeckt ein Loch, bleibt stehen, schaut hindurch – und erahnt das Universum eines anderen Lebens. Was soll dabei schon passieren. Hätte, hätte, ich mache jede Wette, die meisten Menschen, das sind nette.

Überraschende Begegnungen wünscht Ralf-Uwe Beck, evangelisch und aus Eisenach.


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