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08.08.2021
Nawalny und der Hunger nach Gerechtigkeit

Selig sind, die da hungert und dürstet nach Gerechtigkeit. Diesen Satz hat Jesus von Nazareth gepredigt. Und Alexej Nawalny, der russische Oppositionelle, der in einem Straflager sitzt, hat ihn zitiert – bei einer seiner Gerichtsverhandlungen, in seinem Schlusswort. „Möchte der Angeklagte noch etwas sagen?“ „Ja, selig sind, die hungert und dürstet nach Gerechtigkeit, denn sie sollen satt werden.“ Das mag klingen wie aus der Zeit gefallen, aber es ist, so sagt er, „aktuell die bedeutendste politische Idee in Russland“. Dann kommt er darauf zu sprechen, dass doch kaum jemand geboren wird, um ein schlechter Mensch zu werden, oder einen Beruf erlernt, um ihn dann zu missbrauchen. Jemand wird doch nicht Polizist oder studiert Jura, weil er später Unschuldige verurteilen, oder Leute, die einfach nur demonstrieren, verprügeln will. Die Leute, die ihn bewachen, die ihn anklagen, ihn verurteilen, die lügen und intrigieren ..., die würden sich doch eigentlich danach sehnen, gerecht zu handeln. Wie gern würden sie ihren Kindern und Enkeln erzählen, dass sie gute Richter und Polizisten sind. Er klagt nicht an, er verurteilt nicht, er scheint nicht einmal zornig zu sein. Ich habe dieses „Selig sind, die da hungert und dürstet nach Gerechtigkeit“ immer für Einzelne genommen, für die Helden, für Leute wie Nawalny. Er nicht, er lässt es für alle gelten, selbst für die, denen man es gar nicht anmerkt. Es ist, als legt er diesen Satz wie ein Samenkorn in den Gerichtssaal. Daraus könnte Hoffnung wachsen – für Russland. Und überhaupt.

Ralf-Uwe Beck, evangelisch und aus Eisenach.


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