Nichts zu verbergen?
Ich habe die Kamera auf meinem Laptop abgeklebt. Ich bin skeptisch. Kann da irgendwer in China sitzen und sich durchklicken und mitgucken, was ich so mache? Ich habe so eine Szene einmal in einem Film gesehen und fand sie gruselig. Der Nerd konnte sich wahllos einhacken und durch die Kamera mitschauen – an Tausenden Rechnern.
Nicht, dass ich etwas zu verbergen hätte.
Es gibt einen Zweig bei uns evangelischen Christen, der hat das „Nichts-zu-verbergen-Haben“ kultiviert: die Reformierten. In Gegenden, die von den Reformierten Christen geprägt wurden, kann man das bis heute sehen. In Amsterdam zum Beispiel kann man an den Grachten spazieren gehen und von der Straße durch Küche und Wohnzimmer bis in den Garten der Leute blicken. Keine Gardinen. ‚Wir haben nichts zu verbergen.‘
Früher wurde das in den Kirchen gerne drohend gepredigt: Gott sieht alles. Wie heißt es so schön im Psalm 139: „Ich sitze oder stehe auf, du weißt es. Du verstehst meine Gedanken von ferne. Es ist kein Wort auf meiner Zunge, dass Du, Gott nicht kennst.“
So gesehen auch gruselig, oder?
Es sei denn, man muss nicht den böswilligen Hacker befürchten, sondern man ahnt eine wirklich absolut gute Freundin. Dann klingt es anders. Eine, die es rundum gut meint. Die mich versteht, die mich fördert, die um mich weiß. Auch dann, wenn ich mich vor der Welt verkrieche. Dann zeige ich mich gern – notfalls auch mit Schmuddelecken.
Allen Hackern, die so etwas tun, wünsche ich entzündete Finger. Jeder liebenden Freundin ein: Gesegnet seist Du!
Ulrike Greim, Erfurt, Evangelische Kirche