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29.08.2018
Saure Trauben, stumpfe Zähne

Sie hatten nie so richtig darüber geredet. Reden war in seiner Familie generell nicht so ausgeprägt. Er hätte schon gern fragen wollen: „Hast du Menschen auf deinem Gewissen?“ Aber sein Vater war zu alt gewesen. Und nun ist er tot. Die Bilder, stolz in Uniform, lassen es nur erahnen. Hin und wieder brach sich da etwas Bahn. Ein Zorn. Ein Schlag. Manches davon hatte er als Kind abbekommen.

Nun war er erwachsen. Und zornig. Wegen allem. Job, Ehe, Kinder. Politik sowieso. Und nun die ganzen Nachrichten.

Wie man darüber spricht – er weiß es nicht. Sich auseinandersetzen – ach i wo. Vor allem: Wie? In der Schule hat er das bestimmt nicht gelernt.

Wenn er jetzt die Chance hätte, er würde sich eine Uniform anziehen und in den Krieg ziehen. Ihm ist danach. Krieg gegen die Regierung, gegen die anderen, gegen seine eigene Wut. Er ist ein Sohn seines Vaters.

„Die Väter haben saure Trauben gegessen, den Söhnen sind die Zähne stumpf geworden.“ Oma hatte das manchmal gesagt. Kommt aus der Bibel. Die elende Fortsetzung alter Geschichten.

Ist es derselbe Geschmack, den er jetzt im Mund hat?

Er will die Wut ausspucken, wie die unreifen Trauben. Er will das hier anders.

Er will, dass man vernünftig miteinander reden kann. Mit denen da oben. Mit den Alten. Mit seiner Frau.

Und er will alles herausschreien dürfen. Ohne jemanden zu verletzen.

Reset drücken. Neuen Mut. Neue Energie.

Gott, wird das gehen?

Fragt hoffnungsvoll für ihn – Ulrike Greim, Weimar, Evangelische Kirche.


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