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26.01.2020
Selman

Irgendwann wollte ich es von Selman einfach wissen. Selman kommt ist ja nicht von hier, er kommt aus Eritrea. Er kann nie wieder dahin zurück; dort herrscht Militärdiktatur und Selman hat die Armee nicht mehr ausgehalten. Ein Deserteur.
Ich frage ihn, gibt es nicht eigentlich die Sachen, die man total fremd findet, wenn man in Deutschland ankommt? Das geht doch bestimmt Leuten so, die woanders aufgewachsen sind. Und dann kommen sie her. Dass die hier Dinge unverständlich finden und eklig.
Ich meine, wir Deutschen, wir sind ja gewöhnt, dass wir schlecht von uns selbst denken. Gerne schämen wir uns füreinander, etwa im Urlaub, wenn man merkt: O Schande, da hinten, das sind auch Deutsche, die da so laut sind und rumlatschen mit den Socken in den Sandalen.
Nun sag schon, Selman, da gibt es sicher etwas, was dir an Deutschland nicht gefällt, lass es dir nicht so aus der Nase ziehen, nur keine falsche Höflichkeit. Schließlich entlocke ich ihm ein paar abschätzige Bemerkungen über das Wetter. Aber das gefällt mir doch selbst nicht.
Mit mehr kann er nicht dienen. Selman lässt mich etwas ratlos zurück. Wer das hinter sich hat, was er hinter sich hat, erklärt er, so eine Flucht durch die Wüste und übers Wasser, Nächte im Boot auf hoher See, für den ist es überall schön. Ein bisschen schäme ich mich nach dem Gespräch. Wie kann das sein, dass ich nicht merke, wie gut es mir geht? Das fragt sich Pfarrer Gregor Heidbrink aus Apolda.


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